Nach Abzug der Russen
Cherson: Leichen mit Folterspuren entdeckt
Rund eine Woche nach Abzug der russischen Besatzer aus der südukrainischen Großstadt Cherson sind nun laut ukrainischen Angaben Dutzende Leichen mit Folterspuren entdeckt worden. Zudem seien zahlreiche Verhörräume gefunden worden, wo brutale Befragungen durchgeführt worden sein sollen, hieß es seitens der Regierung in Kiew.
Innenminister Denis Monastyrskyj betonte im ukrainischen Fernsehen, dass die Ermittlungen erst am Anfang seien. Die Leichen von 63 Menschen sollen nun obduziert werden. Da zahlreiche Gebäude offenbar noch vermint sind, konnten westliche Journalisten zahlreiche mutmaßliche Folterkeller noch nicht besichtigen.
In Cherson hätten die Strafverfolgungsbehörden 436 Fälle von Kriegsverbrechen während der russischen Besatzung aufgedeckt. Elf Haftorte seien gefunden worden, darunter vier, in denen gefoltert worden sei. „Die Ermittler sind dabei, diese zu untersuchen und jeden Fall von Folter festzuhalten. Auch die Leichen der Getöteten werden exhumiert“, sagte Monastyrskyj. Der ukrainische Inlandsgeheimdienst veröffentlichte auf seiner Twitter-Seite Bilder von einem dieser Haftorte (siehe unten).
„Elektroschocks, Schläge und Sauerstoffentzug“
Ein Vertreter der Staatsanwaltschaft von Cherson sagte der „New York Times“, dass Zeugenaussagen zu 800 Verhaftungen durch russische Truppen in der Region gesammelt worden seien. Die häufigsten Misshandlungen seien Elektroschocks, Schläge mit Plastik- oder Gummiknüppeln und das Abklemmen des Atemschlauchs einer Gasmaske, die Gefangenen über den Kopf gezogen worden sei. Bereits im Sommer hatten aus Cherson geflüchtete Menschen während der Befragung durch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) von Folter und illegalen Verhaftungen berichtet. „Sie haben die von ihnen besetzten Gebiete in einen Abgrund der Angst und der wilden Anarchie verwandelt“, sagte damals HRW-Vertreterin Julia Gorbunowa.
Die Ukraine und internationale Ermittler werfen Russland Kriegsverbrechen in besetzten Gebieten vor. Russland bestreitet, dass seine Truppen Zivilisten ins Visier nehmen und Gräueltaten begangen haben. In anderen Gebieten, die zuvor von russischen Truppen besetzt waren, wurden Massengräber gefunden, darunter auch einige mit Leichen von Zivilisten, die Anzeichen von Folter aufwiesen.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.