Orbán provoziert

Großungarn-Schal: Kiew empört, Österreich witzelt

Politik
22.11.2022 17:44

Der Großungarn-Schal, den der rechtsnationale ungarische Premier Viktor Orbán bei einem Fußballspiel getragen, sorgt für Aufregung. Ihm wird vorgeworfen, historische Tatsachen zu ignorieren und Geschichtsrevisionismus zu betreiben: Auf dem Schal sind die Grenzen des früheren Königreichs Ungarn zu sehen, das bis zum Jahr 1920 unter anderem Gebiete des heutigen Österreichs, der Slowakei, Rumäniens, Kroatiens, Sloweniens, Serbiens und der Ukraine umfasste. Während der Auftritt vor allem in der Ukraine für Kritik sorgt, macht Österreichs Außenministerium Witze darüber.

Das ukrainische Außenministerium forderte umgehend eine Entschuldigung und eine Klarstellung, wonach es keinerlei ungarische Ansprüche auf ukrainisches Staatsgebiet gebe. „Die Förderung von revisionistischen Ansichten in Ungarn trägt nicht zur Entwicklung der ukrainisch-ungarischen Beziehungen bei und entspricht nicht den Grundsätzen der europäischen Politik“, sagte ein Außenamtssprecher. Die Beziehungen zwischen Kiew und Budapest sind gespannt, weil Orbán schon seit Längerem die westliche Unterstützung für die Ukraine hinterfragt.

Keine diplomatischen Schritte
Österreichs Außenministerium reagierte dagegen mit Humor auf den Auftritt Orbáns. „Ein kurzer Blick auf die historischen Karten im Außenministerium hat erste Vermutungen bestätigt, wonach Transleithanien seit rund 100 Jahren nicht mehr existiert. Wir werden unsere ungarischen Nachbarn bei nächster Gelegenheit über diese Entwicklung informieren“, hieß es am Dienstag in einer Stellungnahme. Diplomatische Schritte gegenüber Ungarn seien keine geplant, denn man nehme die Sache nicht ernst, so eine Sprecherin gegenüber der APA.

Zum 100. Jahrestag des Vertrags von Trianon demonstrierte in Budapest die rechtsextreme „Jugendbewegung Vierundsechzig Komitate“, die die Grenzziehung als illegitim ansieht. (Bild: APA/AFP/Attila KISBENEDEK)
Zum 100. Jahrestag des Vertrags von Trianon demonstrierte in Budapest die rechtsextreme „Jugendbewegung Vierundsechzig Komitate“, die die Grenzziehung als illegitim ansieht.

Bei unseren Nachbarn wird die Sache aber noch von vielen ernst genommen: Viele Ungarn haben sich immer noch nicht mit dem Zerfall der Donaumonarchie, in deren Zuge zwei Drittel des ungarischen Staatsgebietes verloren gingen, abgefunden. Während Budapest zuvor ähnlich wie Wien über andere Völker geherrscht hatte, wurden mit dem 1920 geschlossenen Vertrag von Trianon viele Ungarn zu Minderheitenangehörigen in den neuen Nachbarstaaten.

„Provokant und inakzeptabel“
Österreichs Grüne nehmen den Auftritt Orbáns nicht so gelassen wie das Außenministerium unter Alexander Schallenberg (ÖVP) hin. In Zeiten des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine sei das „provokant und inakzeptabel“, so der Europasprecher der Grünen, Michel Reimon. Die Regierungspartei fordert eine sofortige Entschuldigung Orbáns und des ungarischen Botschafters in Österreich, Andor Nagy. 

SPÖ-Europasprecher Jörg Leichtfried forderte von Außenminister Schallenberg eine Einbestellung des ungarischen Botschafters. „Dieser Geschichtsrevisionismus ist unerträglich“, kritisierte Leichtfried. Orbán stelle damit auch Österreichs territoriale Souveränität infrage.

Ungarns Premier weist Kritik zurück
Orbán selbst wies am Dienstag die Kritik an seinem Auftritt zurück. Fußball sei keine Politik, erklärte der rechtsnationale Politiker auf seiner Facebook-Seite und empfahl, nicht hineinzuinterpretieren, was es nicht gebe. Die ungarische Nationalelf sei die Mannschaft aller Ungarn, „egal wo sie leben“.

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