Russische Künstlerin

Die Sprache des Widerstands gegen den Krieg

Oberösterreich
23.11.2022 17:00
Die Macht und der Protest dagegen – das ist der rote Faden, aus denen die russische Künstlerin Anna Jermoalewa Erzählungen für Videos spinnt. Im Schlossmuseum ist eine Ausstellung mit frühen und aktuellen Werken zu sehen, in der die Oppositionelle klar gegen russische Herrschaftsansprüche Stellung bezieht.

Anna Jermoalewa, Medienkünstlerin aus St. Petersburg, musste wegen ihrer Tätigkeit für die Opposition gegen das sowjetische Regime flüchten. Ein Video, in dem sie auf einer Parkbank nach einer Schlafposition sucht, erinnert an ihre Ankunft im Ungewissen.

Gewaltlos, und doch Kampf
Heute ist sie etabliert, hat eine Professur an der Linzer Kunstuni. Ihre Wurzeln und der Kampf um Freiheit lassen sie aber nicht los. Das ist auch der Stoff für ihre Kunst: „Mich interessiert vor allem die Sprache des gewaltlosen Widerstands“, sagt sie zur „Krone“ - siehe auch Interview.

Blick in die Ausstellung Untergeschoss des Schlossmuseums (Bild: Michael Maritsch)
Blick in die Ausstellung Untergeschoss des Schlossmuseums

Singen für die Befreiung
Am Puls der Zeit ist ihre Installation „Singende Revolution“. „So nannte man den gewaltfreien Protest im Baltikum zwischen 1988 und 1991“, erzählt Jermolaewa über den Zerfall der Sowjetunion. „Jetzt haben die Leute wieder große Angst vor Russland.“ Erst im Sommer besuchte sie Chöre in baltischen Hauptstädten, um mit ihnen zu singen: „Ich wollte sie an die Kraft ihrer Lieder erinnern.“ Ein Video dokumentiert das in der Schau.

Jermoalewa fotografierte auch die Katzen der Eremitage in St. Petersburg. (Bild: Wenzel Markus)
Jermoalewa fotografierte auch die Katzen der Eremitage in St. Petersburg.

Doppelgänger mit Fans
Ein anderes Video porträtiert einen Doppelgänger des Diktators Stalin: „Der ist bei jungen Russen wieder sehr beliebt“, empört sich Jermoalewa, die ihre Kunst einsetzt, um „den Protest von unten“ zu dokumentieren und den Menschen Mut zuzurufen, nie den Traum der Freiheit aufzugeben.

INTERVIEW: „Krieg war schon lange geplant“
Anna Jermoalewa (52) ist Ende der 1980er-Jahre aus der UdSSR geflohen, erhielt politisches Asyl. Derzeit hilft sie ukrainischen Flüchtlingen, wie sie im Interview erzählt.

Die Medienkünstlerin Anna Jermoalewa leitet seit drei Jahren das Institut „Experimentelle Gestaltung“ an der Linzer Kunstuniversität. (Bild: Markus Wenzel)
Die Medienkünstlerin Anna Jermoalewa leitet seit drei Jahren das Institut „Experimentelle Gestaltung“ an der Linzer Kunstuniversität.

„Krone“: Der Krieg in der Ukraine dauert nun schon fast neun Monate...
Anna Jermoalewa: Ich war vom ersten Tag an schockiert über Putin. Aber ich habe auch erfahren, dass der Krieg lange geplant war; man hat schon Schulbücher umgeschrieben.

Wie haben Sie reagiert?
Ich bin ins Auto gestiegen und habe Ukrainer von der Grenze abgeholt. Derzeit betreue ich gerade 30 ukrainische Vertriebene. Ich weiß auch, dass die Länder im Baltikum große Angst vor Putin haben.

In einigen Videos porträtieren Sie Doppelgänger, die in Moskau als Stalin oder Gorbatschow auftreten.
Das sind Pensionisten, die vom russischen Staat kein Geld bekommen, nun verdienen sie als Doppelgänger etwas Geld.

Wer ist beliebter?
Putin hat den Stalin-Kult wieder etabliert, das kommt bei vielen jungen Russen gut an. Gorbatschow dagegen wird gehasst, weil er den Zerfall der Sowjetunion herbeigeführt hat. Sein Darsteller muss vorsichtig sein, dass ihm nichts passiert, wenn er alleine nach Hause geht.

Die Ausstellung?
Meine bisher größte Retrospektive, ich freue mich sehr darüber!

bis 5. März; www.ooekultur.at

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