Nach den beiden Omikron-Varianten BA.4 und BA.5 sind seit geraumer Zeit nun deren Sublinien in Österreich auf dem Vormarsch. Geht es nach der EU-Gesundheitsbehörde ECDC, dann werden schon bald BQ.1. und BQ.1.1., die derzeit unter dem Namen „Cerberus“ (dem gleichnamigen Höllenhund aus der griechischen Mythologie; Anm.) durch die Medienlandschaft geistern, das Infektionsgeschehen dominieren. Doch sind die beiden Virusvarianten so gefährlich, wie ihr „höllischer“ Name suggeriert? krone.at hat mit einem Experten gesprochen.
Dafür, dass es sich dabei um eine Killervariante handelt, wie der Name andeutet, gibt es bislang überhaupt keinen Anhaltspunkt. Tatsächlich ist der Name eine Reaktion von Wissenschaftlern, die mit dem Namen „Cerberus“ auf die Weigerung der Weltgesundheitsorganisation WHO reagiert haben, neue Varianten des Coronavirus SARS-CoV-2 (wie bis zu Omikron) weiter nach Buchstaben des griechischen Alphabets zu benennen, berichtet der Molekularbiologe Ulrich Ellling vom Institut für Molekulare Biologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
„Das Ganze ist ein Schmäh, der aus dem Frust heraus entstanden ist“, sagt der IMBA-Forscher. Seit Omikron sind alle weiteren Varianten bzw. Sublinien (solche gibt es bereits zu Hunderten, Anm.) nur mehr mit Buchstaben/Zahlen-Kombinationen versehen worden. „Die jetzt zirkulierenden Varianten BQ.1. und BQ.1.1. sind eigentlich Sublinien der Omikron-Töchter BA.4 und BA.5, die ihrerseits von der Omikron-Variante BA.2 abstammen“, erläutert Elling (Bild unten) im Gespräch mit krone.at.
Varianten breiten sich zurzeit rasant aus
Der relative Anteil von BQ.1. und BQ.1.1 bei Covid-Infektionen habe in den vergangenen Wochen kontinuierlich zugenommen, weiß der Genetiker. Stand er in Kalenderwoche 45 (7. bis 13. November) für beide Varianten zusammen bei 21 Prozent, macht er aktuell bereits 26 Prozent (zehn Prozent bei BQ.1. bzw. 16 Prozent bei BQ.1.1.) der Covid-Fälle aus. Tendenz stark steigend, wie Sequenzierungen von Abwasserproben und PCR-Tests zeigen.
Damit liegen die Varianten BQ.1. und BQ.1.1. etwa gleichauf mit der Sublinie BA.5+R346T, einer weiteren - hierzulande vor allem in Vorarlberg verbreiteten - Omikron-Variante, die derzeit für etwa 25 bis 26 Prozent der Corona-Fälle verantwortlich zeichnet, deren Verbreitung aber deutlich rückläufig ist. Zwei bzw. drei Mutationen am Spike-Protein sorgen laut Elling dafür, dass sich die „Cerberus“-Varianten noch etwas schneller als ihre Vorgänger ausbreiten und zudem eine Spur ansteckender sind.
Mutationen vor allem am Spike-Protein
Die Änderungen haben zur Folge, dass Impfungen bzw. durchgemachte Infektionen mit Covid-19 keinen hundertprozentigen Schutz bieten. „Das Virus mutiert gerade an jenen Stellen, an denen Antikörper an das Spike-Protein (im Bild unten rot) des Coronavirus andocken. Verändert es sich an diesen Stellen, dann binden die Antikörper, die sich durch Impfungen oder überstandene Infektionen gebildet haben, nicht mehr so gut“, erläutert Elling.
Diese sogenannte Immunflucht, die auch Laborstudien aus Asien nahelegen, dürfte dazu führen, dass auch Reinfektionen zunehmen und es schon bald zu einer neuen Welle kommen dürfte, so der Wissenschaftler. Die Auswertung von Tests zeige, dass vor allem die Zahl der Covid-Infektionen bei Kindern zunehme und die Sieben-Tage-Inzidenz ebenfalls wieder ansteige. Wie die Welle konkret ausfallen werde, sei schwer vorhersehbar. In den Spitälern dürfte sie aber zu keinen Problemen führen, glaubt Elling.
„Dem Virus scheint nichts einzufallen“
Was ihn optimistisch stimmt, ist der Umstand, „dass dem Coronavirus nichts einzufallen scheint.“ Die Mutationen seien geringfügig, der Erreger verursache derzeit keine schwereren Symptome. Dass ein Großteil der heimischen Bevölkerung geimpft sei, verhindere, dass es zu einer Vielzahl schwerer Krankheitsverläufen komme. In der „Varianten-Suppe“ gebe es im Moment keinen Erreger, der - was die Schwere der Erkrankung betreffe - besonders gefährlich erscheine, so Elling.
Eine gute Nachricht bezüglich der „Cerberus“-Variante brachten Ende vergangener Woche auch Untersuchungen des US-Pharmakonzerns Pfizer: Der mit der deutschen Firma Biontech in Mainz entwickelte bivalente Omikron-Impfstoff helfe offenbar auch gegen die neue Mutation, berichtete am Freitag das Deutsche Ärzteblatt. Laborstudien würden darauf hindeuten, dass das an Omikron BA.4/BA.5 angepasste bivalente Covid-19-Vakzin von Biontech/Pfizer vermutlich auch vor der Sublinie BQ.1.1 schütze, hieß es.
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