HIV-positiv zu sein, ist längst kein Todesurteil mehr. Im Gegenteil: Gesund zu altern, gilt nun als die aktuelle Devise.
Das Durchschnittsalter der Menschen mit HIV liegt bei uns bei 49 Jahren. Das ist eine gute Nachricht. Zeigt es doch, wie revolutionär die modernen Therapiemöglichkeiten die in den 80er Jahren als „Seuche“ titulierte Immunschwächekrankheit verändert hat. In der Statistik sind mittlerweile auch HIV-positive Männer und Frauen aus der Altersklasse der 60- bis 80-Jährigen vertreten, ja sogar vereinzelt 90-Jährige! Das Ziel der WHO, Erkrankungen mit dem Humanen Immundefizienz-Virus (wissenschaftlich Human immunodeficiency virus) bis 2030 komplett auszurotten, ist für Österreich jedenfalls erreichbar, sind sich Experten einig.
Die Virusvermehrung dauerhaft unterdrücken
Bei einem Presse-Hintergrundgespräch in Wien bestätigte Univ.-Prof. Dr. Alexander Zoufaly, Infektiologe und Präsident der Österreichischen AIDS-Gesellschaft: „Die regelmäßige Einnahme einer gut verträglichen und wirksamen HIV-Therapie ist Voraussetzung, um die Virusvermehrung dauerhaft zu unterdrücken und damit auch zu verhindern, dass das Virus weitergegeben werden kann.“ Bei den Älteren ist es besonders wichtig, den Immunstatus zu überprüfen, die zusätzliche Einnahme von erforderlichen Medikamenten (Blutdruck, Cholesterin, Schmerzmittel, Entzündungshemmer usw.) genau abzustimmen.
Der Schlüssel für eine erfolgreiche (Über)Lebensstrategie: Bei Verdacht bzw. im Falle von Risikokontakten testen, sofortige Behandlung einleiten, ärztliche Beratung und Betreuung annehmen. Mit nur mehr einer Tablette pro Tag und auch injizierbaren Wirkstoffen (bereits zugelassen), die alle paar Monate oder in Folge gar nur mehr einmal jährlich verabreicht werden, vereinfacht sich die Therapie weiter. Damit wird die Absenkung des Virus im Blut unter die Nachweisgrenze erreicht. Nahziel: Heilung!
Aus Angst vor dem Stigma wird oft zu lange mit der Abklärung gewartet, was wiederum späten Therapiebeginn bedeutet. Das beeinflusst aber die Lebenserwartung.
Mag. Andrea Brunner, Aids Hilfe Wien
Hierzulande bekommt jeder Versicherte eine Behandlung, die von den Krankenkassen übernommen wird, versicherte Andreas Huss, Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse ÖGK: „20% der HIV-Patienten sind über 60 Jahre alt.“ Auch Mag. Andrea Brunner, Aids Hilfe Wien, sieht bei den Beratungen nicht mehr nur junge Menschen und ortet zwar mehr Bewusstsein, aber: „Aus Angst vor dem Stigma wird oft zu lange mit der Abklärung gewartet, was wiederum späten Therapiebeginn bedeutet. Das beeinflusst aber die Lebenserwartung.“
Wiltrut Stefanek, Gründerin des Selbsthilfevereins „PULSHIV“ bekam ihre Diagnose 1996 und sieht es als Vorteil, dass HIV-Patienten üblicherweise regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen gehen. Schon allein, um den Therapieerfolg zu überprüfen. Im Zuge dessen können aber auch andere Erkrankungen aufgedeckt werden, die mit zunehmendem Alter auftreten. „Man muss schon auch selber einen Beitrag zu seiner Gesundheit leisten. Nicht nur wegen seiner HIV-Infektion, sondern überhaupt. Das bringt wirklich enorme Lebensqualität!“
Chronische HIV-Infektion und Diabetes
„Man ist weder Arterienverkalkung noch Diabetes oder zu hohem Cholesterin hilflos ausgeliefert, im Gegenteil kann man hier mittels Lebensstil extrem viel verbessern“, betont Internist OA Dr. Helmut Brath aus Wien. Der Diabetologe erklärt, warum es besonders für HIV-positive Menschen so wichtig ist, altersbedingte Gesundheitsbelastungen zu minimieren.
Am Beispiel Diabetes Typ 2. Zwar gilt das Metabolische Syndrom (Übergewicht, hoher Blutdruck, hohe Blutfettwerte) als Hauptauslöser, aber: „Die chronische HIV-Infektion kann eine Insulinresistenz verursachen, Fettumverteilung in Richtung Bauchfett mit Entzündungsvorgängen bewirken. Manche, vor allem ältere, Medikamente beeinflussen die insulinproduzierenden Zellen", so Dr. Brath weiter.
Wer also Herz- und Gefäßkrankheiten vorbeugen oder bestehende bessern will, sollte Übergewicht verhindern, Ausdauersport betreiben, ballaststoffreich essen. Die klassische Mittelmeerdiät wäre hier das Mittel der Wahl: Kein Verzicht, sondern bewusster Genuss. Tipp: Bei der Gesundenuntersuchung die Insulinresistenz messen lassen. Die Werte geben verlässlich Auskunft, ob Gefahr in Verzug ist.
Ungleichheit beenden
8000-9000 Menschen leben in Österreich mit einer HIV-Infektion, 400 kommen pro Jahr dazu. Positiv getestet zu sein ist NICHT gleichbedeutend damit, AIDS zu haben oder zu bekommen! Aufgrund der modernen Therapien gibt es in Österreich so gut wie gar keine Ausbrüche der Immunerkrankung mehr. „Soziales AIDS“, Diskriminierung Betroffener, ist weitaus schwerer auszurotten. Daher heißt das Motto der heurigen Welt-AIDS-Tages am 1. Dezember „Equalize“, im deutschen Sprachraum „Ungleichheit beenden“.
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