Traf „Soldatenmütter“

Putin über Gefallenen: „Er hat sein Ziel erreicht“

Ukraine-Krieg
25.11.2022 21:43

Es sind bizarre Szenen, die sich am Freitag in der Residenz des russischen Machthabers abgespielt haben: Anlässlich des Muttertags, der in Russland kommenden Sonntag gefeiert wird, hat Wladimir Putin ausgewählte Frauen eingeladen, deren Söhne im Ukraine-Krieg getötet wurden. Eine Frau erzählte die angebliche Heldengeschichte ihres Sohnes, der bereits 2019 - und damit vor Beginn des Angriffs im heurigen Februar - gefallen war. Putin nippte dabei an seinem Tee (siehe Video oben). In sozialen Medien kamen angesichts der Aufnahmen rasch Zweifel auf, was die Echtheit der Soldatenmütter angeht.

Staatliche russische Medien hatten am Freitag ein kurzes Video veröffentlicht, das zeigt, wie Putin mehr als ein Dutzend ausgewählter Frauen in seiner Residenz in Nowo-Ogarjowo im Moskauer Gebiet empfängt und ihnen Teetassen reicht. Den offiziellen Angaben zufolge waren insgesamt 17 Frauen aus verschiedenen russischen Regionen sowie aus völkerrechtswidrig von Moskau annektierten Gebieten der Ostukraine angereist.

Echte Soldatenmütter?
In sozialen Medien wurde rasch angezweifelt, dass die Frauen das sind, was sie vorgeben zu sein. So hat eine „Mutter“ Putin offenbar schon öfter getroffen - und dabei immer das gleiche Outfit angehabt. Eine andere Frau, die im Video am Tisch mit Putin sitzt, ist Funktionärin der von Putin geführten „Gesamtrussischen Volksfront“, so der Russland-Experte Ian Garner auf Twitter (siehe unten).

Eine ältere Frau zeigte das Foto ihres verstorbenen Sohnes und erzählte die Geschichte seines Todes. Als feindliche Soldaten näherrückten, sei er aus dem Schützengraben gesprungen und habe sie aufgefordert, auf ihn zu schießen. Seine letzten Worte seien gewesen: „Auf geht’s, Jungs, um Ukrops zu zerhacken!“ Ukrops ist ein abfälliger russischer Slang-Ausdruck für Ukrainer.

Vergleich mit Verkehrstoten
Der betreffende Mann starb bereits 2019 in der Ostukraine im Konflikt mit Russland. Er habe gewusst, wofür er sein Leben gegeben habe, sagte Putin zur Mutter. In Russland gebe es jährlich etwa 30.000 Verkehrstote und ebenso viele Tote durch Alkohol. „Wichtig ist, dass wir alle sterblich sind, dass wir in Gottes Hand sind und irgendwann aus dieser Welt scheiden. Die Frage ist, wie wir gelebt haben“, zitierte die Agentur Tass den Kremlchef. „Und Ihr Sohn hat gelebt. Er hat sein Ziel erreicht.“

Im Netz wurden auch weitere Clips von dem Treffen veröffentlicht. In einem davon behauptet Putin, selbst mit Soldaten zu telefonieren, die das gar nicht erwarten würden. Sie hätten mit ihrer guten Stimmung „überrascht“, so der russische Machthaber.

In den vergangenen Wochen häuften sich Berichte über völlig unzureichend ausgerüstete Rekruten und über die schlechte Moral der Truppe. Kritiker beklagen, dass der Kreml schlecht ausgebildete Männer in einem aussichtslosen Krieg als Kanonenfutter verheize. Aktuellen Einschätzungen britischer Geheimdienste zufolge ist eine hohe Zahl der eingezogenen russischen Reservisten bereits in der Ukraine gefallen.

Putin will Zuversicht demonstrieren, dass die „militärische Spezial-Operation“ ein Erfolg wird. (Bild: AP/Sputnik)
Putin will Zuversicht demonstrieren, dass die „militärische Spezial-Operation“ ein Erfolg wird.

Mobilmachung sehr unpopulär
Angesichts militärischer Niederlagen sind auf Putins Befehl seit Ende September rund 300.000 Reservisten für die Kämpfe in der Ukraine eingezogen worden. Die Teilmobilmachung erwies sich als äußerst unpopuläre Maßnahme und löste in Russland eine regelrechte Massenflucht sowie die größten Anti-Kriegs-Proteste seit Monaten aus. Organisiert wurden die Demonstrationen oft von Frauen und Soldatenmüttern.

Bei dem Treffen am Freitag wärmte Putin auch seine bekannte Kritik am Westen und an der angeblich dort vorherrschenden Gender-Ideologie auf. „An vielen Orten weiß man schon nicht mehr, was Mama bedeutet.“ Dort gebe es „Elternteil 1 und Elternteil 2“, die verschiedenen Geschlechter würden nach Dutzenden gezählt, behauptete der 70-Jährige. „Nach dem Zerfall der Sowjetunion schien es vielen von uns, dass nun das süße Leben beginnt, dass wir leben werden wie in Paris.“ Doch nun wollten viele in Russland schon nicht mehr leben wie in Paris, denn die russische Kultur sei eine andere, sagte Putin.

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