Experte redet Klartext

Masken in Öffis infrage gestellt: „Nichts gelernt“

Wien
26.11.2022 11:42

Immer wieder wird derzeit über die in Wien weiterhin geltende Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln diskutiert. Thomas Czypionka von der Abteilung Health Economics and Health Policy des Instituts für Höhere Studien (IHS) in Wien sieht darin eine sinnvolle Maßnahme und kritisiert, „dass es in Österreich nicht gelungen ist, etwas aus der Pandemie zu lernen und stärker daraus hervorzugehen“.

„Es wäre für uns alle besser gewesen, wenn wir gelernt hätten, dass es Sinn macht, im Winter vermehrt an Orten mit hohem Risiko Maske zu tragen“, schrieb der Gesundheitsökonom am Samstag auf Twitter. „Stattdessen hat die Politik nicht zuletzt durch die Impfpflicht sogar einen Widerstand gegen sinnvolle Maßnahmen hervorgerufen, was uns langfristig zum Nachteil gereichen wird.“

Tröpfchenübertragung dauert „überhaupt nur eine Sekunde“
In dem langen Thread erläuterte Czypionka seine Einstellung pro Maskenpflicht: Je höher die Aerosolbelastung, desto kürzer die notwendige Kontaktzeit, das heißt „auch innert 5 Minuten kann ich mich anstecken, wenn 60 Leute in einem Straßenbahnwaggon Aerosole produzieren“. Eine Übertragung durch Tröpfchen benötige „überhaupt nur eine Sekunde, denn in den größeren Tröpfchen ist leicht bereits die minimale Infektionsdosis enthalten. Das ist in den Öffis von Bedeutung, da hier der Abstand sehr gering ist.“

Clusteranalyse stößt bei Öffis an ihre Grenzen
Öffis würden in Clusteranalysen nur deshalb nicht aufscheinen, „weil sich zwar viele erinnern können, an welchen Tagen sie im Büro waren, aber wohl kaum wer, dass er/sie mit der U1 um 7.51 Uhr von Taubstummengasse weggefahren ist. Ein Cluster kann so also gar nicht identifiziert werden“, gab der Experte zu bedenken.

Ort mit höchstem Ansteckungsrisiko 
Es sei bisweilen behauptet worden, „dass sich Personen, wenn nicht in den Öffis, dann halt woanders anstecken“ - dieser Standpunkt beruhe oft auf einer Fehlannahme, die beim Abstrahieren bzw. Modellieren entstehe, weil man die Vielzahl an Möglichkeiten reduzieren müsse: „Es geht aber nicht jede/r 0,2 Mal pro Tag ins Restaurant und 0,05 Mal pro Tag in ein Konzert. Es gibt genügend Personen und gerade Vulnerable, für die die Öffis die einzige wesentliche Infektionsquelle sind.“ Öffentliche Verkehrsmittel seien ein Ort mit höchstem Ansteckungsrisiko, „gleichzeitig sind sie einer der wenigen Orte, den Vulnerable kaum meiden können“.

Thomas Czypionka: „Es wäre für uns alle besser gewesen, wenn wir gelernt hätten, dass es Sinn macht, im Winter vermehrt an Orten mit hohem Risiko Maske zu tragen.“ (Bild: IHS)
Thomas Czypionka: „Es wäre für uns alle besser gewesen, wenn wir gelernt hätten, dass es Sinn macht, im Winter vermehrt an Orten mit hohem Risiko Maske zu tragen.“

„Bei Omikron wirkt die FFP2-Maske sehr gut!“
Wer behaupte, bei Omikron „wirkt die Maske eh nicht“, liege ebenso falsch: „Gerade bei Omikron wirkt die FFP2-Maske sehr gut!“, so Czypionka. „Das liegt daran, dass die Infektion nicht so tief eindringt. Je weiter oben in den Atemwegen, desto größer die Aerosole und desto leichter filterbar.“ Die höhere Ansteckungsfähigkeit von Omikron liege an der höheren Zahl von Viren in diesen größeren Tröpfchen.

Masken gegen andere Erkrankungen noch wirksamer
Auch das Argument niedriger Covid-Zahlen und relativ geringer Spitalsauslastung lässt er nicht gelten: Aktuell kursieren massiv andere grippeähnliche Erkrankungen (ILIs) wie das Humane Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) und zunehmend auch Influenza. „Gegen diese sind Masken noch wirksamer als gegen SARS-CoV-2“, so Czypionka.

In den Spitälern sei zudem „seit Beginn der Pandemie keine Ruhe, auch das Personal hat das Recht darauf, dass die Bevölkerung Rücksicht nimmt“. Man dürfe daher nicht „immer erst auf den nächsten Super-GAU warten, bevor gehandelt wird“. Der Super-GAU sei in diesem Fall „Covid+Influenza+ILIs“. In einigen Ländern gebe es die Maskenpflicht weiter, in vielen Ländern würden Masken empfohlen und dort werde das auch befolgt.

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