Extreme Folgen
Experte: Wie der Winter den Krieg verändern wird
Gemeinsam mit einem Spezialisten für Klimazonenausbildung beim Jagdkommando analysiert die „Krone“, was die sinkenden Temperaturen in der Ukraine für Soldaten wie Zivilisten bedeuten.
Der drohende Wintereinbruch im Osten der Ukraine wird extreme Folgen für Menschen, Material und Verlauf des Konfliktes haben. Wir haben mit einem Experten für Kampfführung in extremen Wetterlagen gesprochen.
Leben im Felde: Der Wintereinbruch, der für jede reguläre Armee schon eine hohe Belastung ist, wird vor allem für frisch einberufene Reservisten in Russland schwierig. „Sie kommen aus einem zivilen, behüteten Umfeld nach kurzer Ausbildung an die Front. Zu dem enormen Stress, den ein Gefecht alleine schon auslöst, kommt die Gefahr von Erfrierungen.“ Vor allem an Nasen, Ohren, Fingern und Zehen entstehen bei den zu erwarteten Temperaturen von bis zu minus 15 Grad Schäden. „Angesichts der kolportierten schlechten Ausrüstungslage der Reservisten sind jetzt die Familien gefragt: Tanten, Onkel, Cousinen müssen jetzt Socken und Handschuhe stricken, die überschlagend getragen werden: ein Paar etwa an den Händen, ein anderes am Körper zum Trocknen.“
Waffenwirkung: Im artillerielastigen Ukraine-Krieg wird der gefrorene Boden zum tödlichen Wirkungsverstärker. „Wir haben im Winter mehr Querschläger, Handgranaten etwa sind gefährlicher, wenn der Boden gefroren ist“, erklärt M. Bewegliche Gewehrteile können einfrieren, wobei gerade die russischen Kalaschnikow-Sturmgewehre als kälteresistent gelten. „Anders sieht es bei Gewehroptiken aus, also bei Zielfernrohren oder Nachtsichtgeräten“, so M. „Einmal falsch ausgeatmet, und die Optik friert zu.“
Fahrzeuge & Ausrüstung: Flüssigkeiten wie Öl, Sprit oder Wasser mit Frostschutz sollten kein Thema sein, dafür fallen die Temperaturen in der Ostukraine nicht tief genug. Dafür leiden die Batterien. „Generell ist die Kälte der Tod von Batterien, seien es welche für das Auto, das Funkgerät oder die Nachtsichtbrille.“ Auch die auf beiden Seiten stark eingesetzten Drohnen benötigen Akkus, deren Reichweite schwinden wird. Und die meist auch nur bei Tageslicht fliegen, das immer rarer wird. Frieren Flüsse zu, können sich daraus neue Möglichkeiten zum Queren bieten.
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Zivilbevölkerung: Wegen des massiven Artilleriebeschusses in den vergangenen sieben Monaten sind Tausende Fensterscheiben zerstört. Und werden mangels Glas von der Bevölkerung notdürftig mit Plastik oder Holz abgedeckt. „Das stoppt zwar den Windzug, doch wenn eine Wohnung einmal richtig auskühlt, dann strahlt der Beton eine richtige Eiseskälte aus“, sagt M. Die Folge: Das ohnehin schon strapazierte Stromnetz könnte durch zahllose notdürftig angeschaffte Heizstrahler zum Kollabieren gebracht werden. Die Menschen müssten auf Holz umsteigen, vermehrte Wohnungsbrände würden folgen.
Der Winter ist ungut. Wahrscheinlich fahren beide Seiten ein wenig runter. Wenn nicht, gewinnt der, der in der dunklen Jahreszeit nachtkampffähiger ist.
Experte zur „Krone“
„Der Winter ist ungut“, schließt M. lapidar. „Wahrscheinlich fahren beide Seiten ein wenig runter. Wenn nicht, gewinnt der, der in der dunklen Jahreszeit nachtkampffähiger ist. Und die bessere Ausrüstung gegen die Kälte hat.“
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