Der Wiener Patientenanwalt schlägt Alarm. Die gegenwärtige Personalnot, insbesondere bei den Pflegern, gefährde die Patienten. Welche Lösungen der Jurist und frühere Höchstrichter nun vorschlägt.
Gerhard Jelinek ist ein besonnener Mann. Doch angesichts der dramatischen Lage wählt der frühere Höchstrichter und seit Sommer Wiener Patientenanwalt auch gegenüber der „Krone“ eindringliche Worte. „Wir haben einen Notstand, insbesondere im Pflegebereich. Operationen müssen mehrfach verschoben werden, es gibt lange Wartezeiten, und jedes zehnte Spitalsbett ist wegen Personalmangel gesperrt“, erklärt der Jurist.
Drei von vier Pflegern erwägen Berufswechsel
Die Beschwerden von Betroffenen bei der Anwaltschaft häufen sich. Jelinek sieht Patienten in Gefahr. Nicht unbedingt dadurch, dass jemand wegen einer verspäteten Krebsbehandlung verstirbt. „Auch wenn jemand sechs Monate starke Schmerzen hat, weil er nicht vorher seine Hüft-OP bekommt, ist das nicht in Ordnung“, so der 66-Jährige.
Umfragen zeigen, dass bis zu drei Viertel der Pflegekräfte darüber nachdenken, den Beruf zu wechseln. Jelinek: „Trifft das ein, wäre das eine katastrophale Situation.“ Seine Akut-Lösung: bessere Bezahlung, ein Schmerzensgeld für die Mehrbelastungen durch Corona und Co. Wir müssen Anreize bieten, alles dafür tun, damit die Menschen im System bleiben.“ Langfristig muss auch in die Ausbildung investiert werden.
Sollte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) den „Komapatienten Gesundheit“ zur Chefsache erklären? „Das würde nichts ändern. Land, Bund und Gesundheitskasse müssen rasch Verhandlungen aufnehmen. Ich glaube, der Gesundheitsminister ist sich der Lage sehr bewusst“, meint der frühere Richter.
Mediziner befürchten Qualitätsverlust
Obwohl sich Jelinek nicht zu Ärztegehältern (manche Kassenstellen bleiben unbesetzt) äußert, sieht die Wiener Ärztekammer ihre Kritik bestätigt. Wie berichtet, meinen 78 Prozent aller Spitalsmediziner, dass es gröbere Engpässe bei der Patientenversorgung gebe. Und sie befürchten einen Qualitätsverlust in der Betreuung. „Zahlen lügen nicht. Wer jetzt noch die Augen vor den Problemen verschließt, dem öffnet sie im schlimmsten Fall erst wieder der Pathologe“, so Vize-Präsident Stefan Ferenci.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.