Erneut höchste Sicherheitsstufe im Wiener Landesgericht: Der Prozess um die angeklagten Mittäter des Wiener Terroranschlags am 2. November 2020 wurde am Donnerstag fortgesetzt. Bei dem Schussattentat verloren vier Menschen ihr Leben. Auch der Schütze Kujtim F. Er wird für den Anschlag nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden können. Sechs Männer sollen ihn aber unterstützt und bestärkt haben. Zu Wort kam auch der mutmaßliche Waffenhändler, der dem Richter gegenüber beteuerte, den späteren Attentäter nicht gekannt zu haben: „Ein Wildfremder meldete sich und wollte eine Kalaschnikow.“
Am 18. Oktober 2022 startete im großen Schwurgerichtssaal im Wiener Landesgericht unter hohen Sicherheitsvorkehrungen und Medieninteresse der Terrorprozess rund um das Blutbad in der Wiener Innenstadt. Am ersten Verhandlungstag hielten die sechs Verteidiger der Angeklagten ihre Eröffnungsplädoyers.
Drei Angeklagte bekannten sich auf Nachfrage des Richters teilweise schuldig. Die restlichen Männer antworteten mit „unschuldig“. Sie hätten von dem geplanten Anschlag nichts gewusst.
Waffenhändler als erster Angeklagter befragt
Der zweite Tag im Prozess startet mit den Beschuldigtenvernehmungen der sechs Männer, die als Helfer und Unterstützer des Kujtim F. agiert haben sollen. Zuerst nahm der Fünftangeklagte in der Mitte des Saales Platz. Der 32-jährige Russe, verteidigt von Astrid Wagner, ist der Waffenhändler des späteren Attentäters. Dazu bekennt sich der Mann auch schuldig. Aber wie seine Verteidigerin schon am ersten Tag betonte: „Der Waffenhändler ist nicht der Mörder!“. Er hätte Kujtim F. nicht gekannt, beteuerte er vor dem Richter: „Ein Wildfremder meldete sich und wollte eine Kalaschnikow“ - ein Sturmgewehr.
Ein Wildfremder meldete sich und wollte eine Kalaschnikow!
Fünftangeklagter über den Kontakt mit Kujtim F.
Welchen Zweck die Waffe wenig später erfüllen sollte, war dem 32-Jährigen nicht klar. Insgesamt gab es zwischen dem Attentäter und dem Fünftangeklagten zwei Treffen. Nach dem Sturmgewehr bestellte Kujtim F. danach noch eine Faustfeuerwaffe und Munition. Vermittelt wurde über „den Slowenen“ - quasi ein Geschäftspartner des Waffenhändlers. Zudem hätte er nicht nein sagen können. Der Fünftangeklagte hätte ihn für seine Geschäfte gebraucht.
Will den Zweck der Waffenlieferungen nicht gekannt haben
Auch bei der zweiten Übergabe hätte der Russe sich keine Gedanken über den Grund der Lieferung gemacht. „Es war Ihnen also egal?“, fragt der Richter ungläubig. Angeklagter: „Ich hab‘ nicht nachgedacht“ - „Das kann ich mir nicht vorstellen. Einem Wildfremden eine Kalaschnikow zu vermitteln und danach eine andere Waffe mit entsprechender Munition“, so der Richter. Der Mann antwortete: „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich das nicht gemacht!“
Ermittlungen ergaben: Angeklagter war in Wohnung des Attentäters
Laut der Anklage sollen sich der 32-jährige Russe und der spätere Schütze öfter als bei diesen zwei Waffenübergaben gesehen haben. Auswertungen seiner Handydaten sollen zeigen, dass er sich in der Nähe der Wohnung des Attentäters befunden haben soll. Sein Mobiltelefon wäre aber bei einem Mast acht Kilometer entfernt eingeloggt gewesen: „Mein Handy war ja ganz woanders. Das ist viele Kilometer entfernt.“ Dazu konnte der Richter aber Aufschluss geben: Ist ein Handymast überlastet, kann sich ein Mobiltelefon bei dem nächstgelegenen auch einloggen. Und das soll sich mit den ermittelten Daten decken. „Ich war in einem Shoppingcenter in der Nähe“, beteuerte der Russe.
Sechstangeklagter spielte Fußball mit Attentäter und vermittelte ihm Waffen
Der Kontakt zu dem 32-jährigen Waffenhändler stellte der Sechstangeklagte her. Er kommt im Wiener Landesgericht als Nächstes zu Wort. Der 22-Jährige weist bereits zwei Vorstrafen auf - beide wegen Terror. Auch Gefängnisstrafen musste er verbüßen. Und genau während einer solchen fand er den Kontakt zu dem Attentäter wieder. Die beiden spielten bereits in der Kindheit zusammen Fußball und beteten in derselben Moschee.
Wusste der 22-Jährige vom geplanten Terroranschlag?
„Ich habe den Kontakt für die Kalaschnikow hergestellt“, gibt der Sechstangeklagte zu. Mit einem illegalen Handy aus der Haft heraus schrieb er auf Snapchat dem Waffenhändler. „Haben Sie jemals darüber nachgedacht, warum der Attentäter diese Waffe haben möchte?“, fragt der Richter. Der 22-Jährige trocken: „Klar. Er hat es mir ja auch gesagt.“ Kujtim F. habe ihm erzählt, er wolle das Sturmgewehr nur weiterverkaufen. Vor dem Verfassungsschutz während des Ermittlungsverfahrens gab der Angeklagte aber an, dass der spätere Schütze ihm sehr wohl sagte, dass er einen Anschlag verüben wolle. Warum er das nicht sofort gemeldet hatte: „Wenn ich alles melden muss, was hier jemand sagt, dann kommen die nie wieder raus.“
Herr Richter, verstehen Sie mich nicht falsch. Er hatte ja keine Munition und mit einer Waffe ohne Munition kann man keinen Schaden anrichten. Wenn ich ihm den Kauf einer Kalaschnikow vermittle und er später Munition bei dem Händler kauft ohne mein Wissen, bin ich ja nicht schuld.
Sechstangeklagter im Wiener Landesgericht
Zu der Beteiligung an dem illegalen Waffenkauf bekennt er sich schuldig. Beihilfe zum Terroranschlag will er aber nicht geleistet haben: „Herr Richter, verstehen Sie mich nicht falsch. Er hatte ja keine Munition und mit einer Waffe ohne Munition kann man keinen Schaden anrichten.“ Und an dem Kauf der Patronen sei er nicht beteiligt gewesen: „Wenn ich ihm den Kauf einer Kalaschnikow vermittle und er später Munition bei dem Händler kauft ohne mein Wissen, bin ich ja nicht schuld.“
Am 6. Dezember werden die Angeklagtenbefragungen fortgesetzt. Erste Zeugen werden erst am fünften Verhandlungstag, den 20. Dezember, gehört. Ein Urteil wird es erst 2023 geben!
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