Die Verhandlungen über die lange geplante Reform der Arbeitslosenversicherung haben auch im letzten Anlauf keinen Konsens zwischen den Regierungspartnern gebracht. Damit wird es in der laufenden Legislaturperiode keine große Novelle für den Arbeitsmarkt geben, erklärte Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) am Freitag vor Journalisten in Wien. Vor allem bei der Anpassung der Zuverdienstgrenzen sowie der konkreten Ausgestaltung des Arbeitslosengeldes spießte es sich zwischen ÖVP und Grünen.
„Der Zuverdienst war einer der entscheidenden Faktoren“, erklärte der Politiker. Die ÖVP habe ein Modell vorgeschlagen, das einen zusätzlichen Erwerb für Arbeitslose deutlich einschränkt. Vor allem bei Personen mit niedrigen Einkommensgrenzen habe die aktuelle Regelung klare Beschäftigungsanreize vermissen lassen, so Kocher. So habe sich für manche Personen durch das Arbeitslosengeld plus Nebenerwerb ein höheres Einkommen ergeben, als dies bei einer regulären Beschäftigung der Fall wäre - für die Türkisen eine suboptimale Regelung. Insgesamt gehen derzeit etwa 10 Prozent der Arbeitslosen einer Zusatzbeschäftigung nach.
Grüne: „Kirche im Dorf lassen“
„Man muss beim Zuverdienst die berühmte Kirche im Dorf lassen“, wandte der Arbeits- und Sozialsprecher der Grünen, Markus Koza, ein. Für viele der Arbeitslosen sei eine geringfügige Beschäftigung „wichtig, um wieder einen Fuß in der Arbeitswelt zu haben oder nicht in Armut zu fallen“, so Koza. Außerdem habe man mehrmals darauf aufmerksam gemacht, dass eine Begrenzung des Zuverdienstes von der Höhe des Arbeitslosengeldes und der Wertanpassung der Notstandshilfe abhänge. Auf diese Valorisierung haben man zuvor vergeblich gedrängt, wie Koza am Freitag im „Ö1-Mittagsjournal“ erläuterte.
Von einer Anpassung der Zuverdienstmöglichkeiten versprach sich die Volkspartei einen Rückgang der Arbeitslosigkeit, außerdem hätte man damit längerfristig auch prekäre Arbeitsverhältnisse eingedämmt, argumentierte der Minister. Der grüne Verhandlungspartner habe dies vor allem wegen Bedenken abgelehnt, die betroffenen Personen damit in die Armut zu treiben.
Kocher: Zuverdienst nur zeitlich begrenzt
Kocher betonte, dass man gewisse Ausnahmen für einen gerechtfertigten Zuverdienst vorgesehen habe. So hätten all jene Personen, die schon vor ihrer Arbeitslosigkeit eine weitere Tätigkeit ausübten, diese behalten können. Als Beispiele griff Kocher etwa Künstler oder Nebenerwerbsbauern heraus. Auch dem Arbeitsmarktservice hätte man einen gewissen Spielraum eingeräumt, weil sich dort aus der Betreuung ergebe, ob der Zuverdienst „hilft oder schadet“. Grundsätzlich wäre der Zuverdienst ab dem Zeitpunkt der Arbeitslosigkeit aber zeitlich begrenzt gewesen.
Am Tisch lag auch ein Modell für ein degressives Arbeitslosengeld in drei Stufen. Der Plan sah vor, für die ersten Tage ohne Beschäftigung kein Arbeitslosengeld auszubezahlen. In weiterer Folge hätte sich die Nettoersatzrate auf 70 Prozent und nach drei Monaten auf 55 Prozent belaufen. An den Modalitäten zum Bezug der Notstandshilfe hätte sich nichts geändert.
Damit wäre das Arbeitslosengeld zwar anfangs teurer gekommen, per saldo hätte sich dies laut Kocher durch den erhofften Beschäftigungseffekt aber ausgeglichen. Die Karenzzeit hätte gegenüber dem jetzigen Modell zwar Nachteile bei geringer Dauer der Arbeitslosigkeit gebracht, räumte Kocher ein. Das wäre aus Sicht der ÖVP aber zumutbar gewesen, zumal in dieser Phase großteils keine Armut drohe.
Grüne stoßen sich an Wartefrist
Die Grünen stoßen sich in diesem Punkt an der vorgeschlagenen Wartezeit. Sie sehen in der Wartefrist weniger eine „Karenz“ als vielmehr eine Arbeitslosengeld-„Sperre“. „Das Arbeitslosengeld ist eine Versicherungsleistung - genau gegen das Risiko, bei Arbeitslosigkeit einkommenslos zu sein“, so Koza. „Eine Wartefrist hätte eine Kürzung des Arbeitslosengelds ausgerechnet für jene bedeutet, die nur kurz - einige Wochen - arbeitslos sind und wieder relativ rasch einen Job finden“. Das widerspreche „so ziemlich jeder Anreizwirkung“, die man sich durch das degressive Modell erhofft habe.
Obwohl man nicht einig geworden sei, seien die Gespräche „von gegenseitigem Respekt getragen“ gewesen, so der Arbeitsminister auf Twitter (siehe oben). Das stimme ihn optimistisch, dass man in den nächsten Monaten „kleinere, wichtige Reformschritte“ setzen könne. Kocher will etwa die Beratung des AMS evaluieren lassen - mit Blick auf die Zuverdienstgrenzen. Hier könne man eventuell den Fokus nachschärfen und sicherstellen, dass Arbeitssuchende, die einer Nebenbeschäftigung nachgehen, schneller vermittelt werden. Auch die Wirkung und die zeitliche Abfolge der Sanktionen bei Arbeitslosigkeit wolle man überprüfen.
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