Immer mehr Menschen - darunter auch Jugendliche - haben die Kontrolle über ihr Ernährungsverhalten verloren. Während der Corona-Pandemie hat sich die Zahl der Betroffenen sogar fast verdoppelt. Tritt dabei der Zwang nach übermäßiger sportlicher Aktivität auf, kann das fatale körperliche und psychische Folgen haben.
Erst werden große Essensmengen in kürzester Zeit verschlungen, dann folgt der Drang nach exzessiver körperlicher Aktivität. Die Rede ist von der sogenannten Sportbulimie, die auch immer mehr junge Männer betrifft. „Statt Erbrechen oder Verwendung von Abführmitteln wie bei einer ,klassischen‘ Bulimie ist übermäßiges Sporteln zur Vermeidung einer Gewichtszunahme das Mittel der Wahl“, erklärt Psychotherapeutin Ing. Claudia Fuchs vom Kompetenzzentrum „sowhat“ für Menschen mit Essstörungen.
Im Vordergrund steht ein regelrechter Zwang nach Bewegung, meist ohne Rücksicht auf körperliche Überlastung oder drohende Verletzungen. Selbst Warnsignale wie Schmerzen sind kein Hindernis, zu groß ist die Unzufriedenheit, wenn das Training einmal ausfallen würde. Die Symptomatik wird meist durch eine Störung des Selbstbildes begünstigt. Dazu zählt etwa die sogenannte Muskeldysmorphie oder Muskelsucht, an der vor allem Männern leiden. Betroffene haben eine verzerrte Körperwahrnehmung, empfinden sich selbst als schmächtig und infolgedessen als wenig attraktiv.
Eine wesentliche Rolle spielen dabei auch soziale Medien, wie Ing. Fuchs aufzeigt: „Häufig wird ein ‚definierter‘ Körper als Schönheitsideal suggeriert. Dies kann bei den Betroffenen zusätzlich Druck erzeugen.“ Die Konsequenz: eine weitere Steigerung des ohnehin überdurchschnittlich hohen Trainingsumfangs, um endlich die gewünschten „Muskelberge“ zu erhalten. In manchen Fällen wird nicht einmal vor illegalen leistungssteigernden Substanzen haltgemacht.
Liegt einer oder mehrere Punkte vor, kann das ein Hinweis für eine Erkrankung sein:
Neben der enormen körperlichen Belastung kommt es auch zu psychischen und sozialen Problemen. Die Ernährung und das Bewegungsverhalten stehen im Lebensmittelpunkt, Hobbys, Freunde und sogar die Familie werden oft hintangestellt. „Wird das gesetzte Bewegungsziel nicht erfüllt, so können auch Gereiztheit sowie eine herabgesetzte Kritikfähigkeit bis hin zu Wutanfällen auftreten“, berichtet Ing. Fuchs. Nicht selten kapseln sich die Leidenden von ihrer Umwelt nahezu gänzlich ab und fokussieren sich ausschließlich auf ihre körperlichen Ziele. Im schlimmsten Fall sind sogar depressive Verstimmungen bis hin zu suizidären Gedanken möglich.
Umso wichtiger ist es, dass Angehörige aktiv werden und den Erkrankten emotionalen Beistand leisten. „Statt Vorwürfen sind viel Geduld und Einfühlsamkeit im Umgang mit den Betroffenen nötig“, weiß Ing. Fuchs. In weiterer Folge kann dazu ermutigt werden, sich professionelle Hilfe zu holen. Unterschiedliche Beratungsstellen ermöglichen niederschwellige Unterstützung sowie Informationen und können die Leidenden an geeignete Therapeuten vermitteln. Auch Selbsthilfegruppen sind mitunter eine hilfreiche Option und bieten Möglichkeiten zum Austausch.
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