Ein Jahr im Kanzleramt: Karl Nehammer ist mit der Koalition auf Bundesebene zufrieden. Korruptionsprobleme der ÖVP sieht er als „unredliche Unterstellung“.
Schlag auf Schlag ging es vor einem Jahr. Sebastian Kurz trat zuerst als Kanzler „zur Seite“ und vier Wochen später komplett ab. Und plötzlich war Karl Nehammer Kanzler - am 6. Dezember folgte die Angelobung. 12 Monate später liegt die ÖVP bei rund 20 Prozent und an dritter Stelle hinter SPÖ und FPÖ.
„Zarten Versuchen, ein neues Profil für sich und die Partei zu entwickeln, folgten immer Botschaften, die eine Lösung von geerbten Problemen verunmöglichten“, bringt Politikanalyst Thomas Hofer Nehammers erstes Kanzlerjahr auf den Punkt.
Der Kanzler selbst lud zu einem „Kanzlergespräch, wo er selbst Bilanz über sein erstes Jahr zog“. Er sei sich sicher, dass die Koalition zwischen ÖVP und Grünen in der historischen Nachbetrachtung besser beurteilt werde, als sie momentan von den Politikkommentatoren gesehen wird.
Ich bin mir sicher, dass die Koalition zwischen ÖVP und Grünen in der historischen Nachbetrachtung besser beurteilt wird, als sie momentan von den Politikkommentatoren gesehen wird.
Karl Nehammer
„Arbeitslosenquote ist mit 6,2% die niedrigste seit 15 Jahren“
Für Nehammer existieren drei Parameter, um Erfolg und Misserfolg zu messen: Das sind „Arbeitslosigkeit, Wirtschaftswachstum und das Verhältnis der Staatsschulden zum Bruttoinlandsprodukt.“ Mit allen drei Kategorien sei Nehammer zufrieden. Die Arbeitslosenquote sei mit 6,2 Prozent die niedrigste seit 15 Jahren. Das Wirtschaftswachstum wird selbst 2023 bei 1,5 Prozent, so die Prognosen, liegen, und die Schuldenquote - dank der hohen Inflation - rangiert bei 85 Prozent. Außerdem seien die Gasspeicher zu 92 Prozent gefüllt und die Abhängigkeit von Russland-Gas auf 20 Prozent minimiert worden.
Video vom 6. Dezember 2021: Nehammer als Kanzler angelobt
Warum aber ist dann der Unmut der Bevölkerung über die Regierung doch groß? Vor allem der Untersuchungsausschuss, der eine Art „Giftausschuss sei“, so die Theorie des Kanzlers, habe einen „Markenschaden für die ÖVP“ gebracht. Emotional wird er, wenn man der ÖVP ein Korruptionsproblem attestiert. Er sprach von einer „unredlichen Unterstellung“, einem „Pauschalurteil“ und „politischer Agitation“. Es gebe kein systemisches Korruptionsproblem in der ÖVP, man müsse jeden Einzelfall prüfen. „Für das, was Thomas Schmid getan hat, gibt es von mir keine Toleranz. All das ist klar zu verurteilen.“ Differenzierter sieht er die Causa bei Sebastian Kurz.
Der Untersuchungsausschuss ist eine Art Giftausschuss, der einen Markenschaden für die ÖVP gebracht hat.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zieht Bilanz.
In Sachen Antikorruption will in dieser Legislaturperiode noch einiges weiterbringen. „Denn Misstrauen in die Institutionen schafft immer mehr Möglichkeiten für radikale Kräfte.“ Österreich lag zuletzt im Korruptionsindex von Transparency International auf Platz 13. „Wie kommen wir unter die Top 3?“, fragte Nehammer. „Spannend“ und „interessant“ findet der Kanzler etwa die Möglichkeit eines Compliance-Beauftragten für die Bundesregierung.
Heizkostenzuschuss um 500 Millionen Euro
Ein Weihnachtspräsent hatte Nehammer zu dem Kanzlergespräch auch mitgebracht: Die Regierung plant die Ausweitung des Wohn- und Heizkostenzuschusses um 500 Millionen Euro. Zielgruppe sind demnach niedrige Einkommen, Familien und Mittelschicht. Um Abwicklung und Kriterien sollen sich die Länder kümmern, das Geld kommt vom Bund. Haushalten soll das zwischen 200 und 400 Euro bringen.
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