Ukraine friert:
Deutschland warnt jetzt vor neuer Flüchtlingswelle
In der Ukraine hat die dunkle Jahreszeit begonnen - mit Temperaturstürzen bis auf minus 25 Grad. Millionen Bürger sind in bombardierten Häusern eisiger Kälte ausgesetzt: ohne Strom, ohne Wasser, ohne Fenster. Deutschland rechnet daher mit einer großen Zahl an Flüchtlingen in den kommenden Wochen. Die Vereinten Nationen schätzen, dass derzeit weit über neun Millionen Ukrainer auf Hilfe angewiesen sind. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj appellierte an das Durchhaltevermögen seiner Landsleute.
Knapp sieben Millionen Menschen sind in der Ukraine auf der Flucht. Über eine Million harrt in schlecht beheizten öffentlichen Gebäuden wie Schulen oder Turnhallen aus. Der Raketenhagel von Putins Armee zerstörte rund 40 Prozent der Anlagen zur Stromversorgung. Zeitweise waren zehn Millionen Menschen ohne Elektrizität. Besonders betroffen: die Regionen Odessa, Kiew, Winnyzja und Sumy.
Russland hat verstärkt Strom- und Heizkraftwerke im Visier
„Der russische Präsident Wladimir Putin terrorisiert weiterhin die Zivilbevölkerung in seinem Nachbarland“, sagte der deutsche Botschafter in London, Miguel Berger, dem britischen TV-Sender Sky News am Sonntag. Russland führt seit Februar einen Angriffskrieg gegen die Ukraine und greift zuletzt verstärkt Strom- und Heizkraftwerke an.
Wir sind darüber sehr besorgt, denn diese Angriffe auf die Energieinfrastruktur bedeuten, dass viele Menschen in den eiskalten Temperaturen dazu gezwungen sein könnten, die Ukraine zu verlassen.
Miguel Berge, der deutsche Botschafter in London
„Wir sind darüber sehr besorgt, denn diese Angriffe auf die Energieinfrastruktur bedeuten, dass viele Menschen in den eiskalten Temperaturen dazu gezwungen sein könnten, die Ukraine zu verlassen“, sagte der Diplomat und fügte hinzu: „Wir erwarten einen weiteren Schwung an Flüchtlingen in den kommenden Wochen.“ Anlass für Optimismus, dass der Krieg durch diplomatische Mittel beendet werden könne, gebe es derzeit nicht, so Berger weiter.
Auch der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, rechnet mit einem starken Anstieg der Flüchtlingszahlen in diesem Winter. „Ich fürchte, wir werden einen dramatischen Fluchtwinter erleben“, sagte Weber in der „Welt am Sonntag“ unter Verweis auf „die Zerstörung von Energie-Infrastruktur in der Ukraine durch das Terrorregime von Russlands Präsidenten Wladimir Putin“.
Ich fürchte, wir werden einen dramatischen Fluchtwinter erleben.
Manfred Weber, der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP)
„Deutschland schlafwandelt gerade in eine neue Migrationskrise“
„Wir müssen uns darauf einstellen, dass eine große Zahl Ukrainer in diesem Winter in die EU kommt - und viele davon auch nach Deutschland“, sagte Weber. Deutschland sei auf diese Situation nicht vorbereitet und „schlafwandelt gerade in eine neue Migrationskrise“.
Fluchtroute über das Mittelmeer
Mit Blick auf die Fluchtroute über das Mittelmeer in Richtung Italien schlug der EVP-Chef an den dortigen EU-Außengrenzen gemeinsame Patrouillen von deutschen und italienischen Beamten vor. Wer von den Geflüchteten kein Visum, keinen Pass oder keinen Asylgrund habe, sollte nach Webers Worten umgehend wieder rückgeführt werden.
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„Und ich plädiere dringend dafür, in den afrikanischen Staaten mit Zustimmung der jeweiligen Regierung diplomatische Zonen einzurichten, wo Asylanträge eingereicht und Asylprüfungen durch EU-Beamte durchgeführt werden können“. Das erspare den Migranten eine gefährliche Reise über das Meer und trockne das kriminelle Geschäft der Schleuser aus, meinte Weber.
Selenskyj: „Wir schützen unser Zuhause“
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenkyj appellierte an das Durchhaltevermögen und die Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung. „Der Feind hofft sehr, den Winter gegen uns zu verwenden: die Winterkälte und Not zu einem Teil seines Schreckens zu machen“, sagte er am Sonntagabend. Und fügte hinzu: „Wir müssen alles tun, um diesen Winter zu überleben, egal wie hart er ist.“
Wir müssen alles tun, um diesen Winter zu überleben, egal wie hart er ist.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenkyj
Diesen Winter zu ertragen bedeute, alles zu ertragen. Russland habe zwar einen Vorteil durch Raketen und Artillerie. „Aber wir haben etwas, was der Besatzer nicht hat und nicht haben wird. Wir schützen unser Zuhause, und das gibt uns die größtmögliche Motivation“, betonte Selenskyj. Das ukrainische Volk kämpfe für die Freiheit und verteidige die Wahrheit, sagt er. „Um den Winter zu überstehen, müssen wir widerstandsfähiger und vereinter denn je sein“, appellierte Selenskyj an die Ukrainer.
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