Proteste gehen weiter
Fünf Demonstranten im Iran zum Tode verurteilt
Im Iran sind fünf Teilnehmer an Demonstrationen zum Tode verurteilt worden, weil sie an der Tötung eines Mitglieds der paramilitärischen Basidj-Milizen bei Protesten im November beteiligt gewesen sein sollen. Elf weitere Menschen, darunter auch drei Minderjährige, wurden zu langen Haftstrafen verurteilt, wie ein Justizsprecher am Dienstag sagte. Gleichzeitig sprach er von der Freilassung von 1200 Demonstranten. Indes wird weiter gegen das Regime protestiert, zahlreiche Händler folgten einem Streikaufruf der Aktivisten und Aktivistinnen (siehe Video oben).
Die Angeklagten wurden schuldig gesprochen, das Miliz-Mitglied Ruholla Adjamian Anfang November in der Stadt Karaj westlich von Teheran getötet zu haben. Damals hatten sich Trauernde 40 Tage nach dem Tod der Demonstrantin Hadis Nadjafi zu Protesten versammelt. Einige Teilnehmer sollen den 27-jährigen Adjamian dann laut Anklage nackt ausgezogen haben. Danach sollen sie mit Messern auf ihn eingestochen und ihn geschlagen haben. Im Anschluss sei sein nackter Leichnam durch die Straßen gezogen worden, hieß es.
Bei den Protesten wurden nach offiziellen iranischen Angaben inzwischen mehr als 300 Menschen getötet, darunter auch Dutzende Mitglieder der Sicherheitskräfte. Einschätzungen von Menschenrechtlern zufolge wurden hingegen mindestens 470 Demonstranten getötet und rund 18.000 Menschen verhaftet. Infolge der Gewalt bei den Protesten wurden nach dem jüngsten Urteil nun insgesamt elf Menschen im Iran zum Tode verurteilt.
Zwölf Demonstranten wegen Sabotage festgenommen
Unterdessen nahmen die Revolutionsgarden zwölf angebliche Mitglieder einer Gruppe mit Verbindungen nach Europa fest, denen die Planung von Sabotageakten vorgeworfen wird. Die Festgenommenen hätten „unter der Führung gegenrevolutionärer Akteure aus Deutschland und den Niederlanden“ gestanden und „Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit“ ausgeführt, berichtete die regierungsnahe Nachrichtenagentur Tasnim mit Verweis auf eine Erklärung der Revolutionsgarden in der zentraliranischen Provinz Markazi südwestlich von Teheran. Demnach hätte die Gruppe versucht, sich Waffen für „subversive Handlungen“ zu beschaffen.
In der Erklärung hieß es mit Verweis auf die landesweiten Proteste zu den Festnahmen, das „Projekt Unruhe ist gescheitert“. Im Iran wird seit Mitte September gegen die politische Elite des Landes demonstriert. Auch am Dienstag gingen wieder Aktivisten und Aktivistinnen gegen die politische Führung des Landes auf die Straße. In der Hauptstadt Teheran riefen die Demonstranten demnach „Tod dem Diktator“ und „Islamische Republik wollen wir nicht“. Berichte über gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten gab es zunächst nicht.
Aufruf zu drei Tagen Streik
Von Montag bis Mittwoch dieser Woche hatten Aktivisten in Online-Netzwerken zu den sogenannten 14-15-16-Protesten aufgerufen - die Zahlen sind das Datum im persischen Kalendermonat Azar. Im Zuge dieser sollten sich auch Unternehmen den Protesten anschließen. Ziel sei es, die Wirtschaft des Landes lahmzulegen. Der Aufruf zeigte Wirkung, viele Händler in mehreren Städten sperrten ihre Geschäfte zu. Staatliche Medien wiederum berichteten dagegen von einem „Normalzustand“ auf Märkten und veröffentlichten Bilder von geöffneten Läden.
Einem Medienbericht zufolge hat nach dem Generalstaatsanwalt nun auch eine weitere Behörde von der Einstellung der Aktivitäten der Sittenpolizei gesprochen. „Die Einsätze der Sittenpolizei wurden auf Anweisung der Staatsanwaltschaft eingestellt“, sagte am Dienstag der Sprecher der Zentrale für die Förderung der Tugend und der Verhütung des Lasters. Die Sittenpolizei setzte in der Vergangenheit die Vorschriften des Tugend-Zentrums um.
Die Handlungen der Sittenpolizei waren der Auslöser der seit über zwei Monaten andauernden systemkritischen Proteste im Land. Mitte September verhafteten die islamischen Sittenwächter die 22-jährige Mahsa Amini, weil unter ihrem Kopftuch angeblich ein paar Haarsträhnen hervorgetreten waren. Amini starb wenige Tage später im Gewahrsam der Sittenpolizei.
Abschaffung der Sittenpolizei nur Ablenkungsmanöver?
Am Sonntag hatte der iranische Generalstaatsanwalt erklärt, die Sittenpolizei sei abgeschafft worden. Die Aussage war von vielen Demonstranten und Kritikern der politischen Führung zunächst mit Skepsis aufgenommen worden. Sie fordern weiter eine Abschaffung des Kopftuchzwangs im Land. Frauen im Iran befürchten, dass die Kontrollaktivitäten der Sittenpolizei nach deren Auflösung einfach von anderen Sicherheitskräften übernommen werden könnten. Aktivisten sehen in den Aussagen zur Sittenpolizei zudem ein „Ablenkungsmanöver“, um die aufgrund der jüngsten Proteste weiter angespannte Lage im Land zu beruhigen.
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