Seit 33 Jahren können sich Bedürftige täglich auf den Suppenbus verlassen. Immer mehr Pensionisten stehen Schlange. Die „Krone“ begleitete die Aktion in Wien einen Abend lang.
In der Küche der Caritas-Zentrale in Ottakring herrscht Freitagabend geschäftiges Treiben. Josef, der Koordinator des Canisibusses, musste kurzerhand als Koch einspringen, weil zwei Freiwillige krank geworden sind.
Für gewöhnlich wird um 14 Uhr mit dem Kochen begonnen, durch den Ausfall hat sich jedoch alles zeitlich nach hinten verschoben. Jetzt ist Eile geboten, denn die Suppe muss pünktlich um 19.45 Uhr bei der ersten Station ausgeschenkt werden. „Pünktlichkeit ist wichtig, die Menschen warten und verlassen sich auf uns“, weiß Josef. Seit 1990 ist der Suppenbus jeden Tag im Einsatz. Nur ein einziges Mal, am Tag nach der Terrornacht (2. November 2020), ist er nicht ausgefahren.
Auf Lebensmittelspenden angewiesen
Jeden Tag bis zu 400 Portionen Suppe verteilen bedeutet im Hintergrund viel Arbeit. Zum einen braucht es Freiwillige, die kochen, mit dem Bus fahren und Suppe ausschenken. Zurzeit sind 140 Helfer im Einsatz.
Und dann müssen noch die Zutaten aufgetrieben werden. Ein Großteil der Lebensmittel kommt von der Wiener Tafel und von LE+O, das Brot spendet Ströck. Wenn die Spenden nicht ausreichen, muss die Caritas Lebensmittel zukaufen. „Wir verkochen das, was gerade da ist, allerdings brauchen wir immer große Mengen von etwas, denn alle müssen dasselbe bekommen“, erzählt Josef.
Zunächst einmal muss das ganze Gemüse klein geschnitten werden, bei dieser Menge ist ein Gemüseschneider unverzichtbar. Josef bekommt Unterstützung von Gabor. Er ist sonst Fahrer, aber heute springt er in der Küche ein. Auf die Frage, ob ihn die freiwillige Arbeit immer freut, sagt er: „Nicht immer, als Josef heute anrief, war ich nicht begeistert. Aber spätestens, wenn ich jemandem eine Suppe in die Hand drücke, weiß ich, dass es das wert ist.“ Oft entdeckt er bekannte Gesichter bei der Suppenausgabe. Durch die Teuerung mischen sich aber auch neue darunter.
Spätestens, wenn ich jemandem eine Suppe in die Hand drücke, weiß ich, dass es das wert ist.
Ein Freiwilliger
Dreimal so viele Pensionisten wie noch vor 15 Jahren
Es stehen auch vermehrt Mindestpensionisten an. Machten diese vor 15 Jahren noch sieben Prozent aus, sind es heute 22. „Vielen Menschen sieht man ihre Notlage nicht an, sie sind oft schambelastet und holen sich möglichst unauffällig eine Suppe“, berichtet der freiwillige Helfer Erdem. Seit ein paar Monaten werden auch Suppen in Gläsern abgefüllt, die sich die Menschen mitnehmen können.
Längste Schlange beim Bahnhof Meidling
Die Hotspots haben sich über die Jahre immer wieder verlagert. Früher war am Praterstern am meisten los. „Da waren oft so viele Menschen, dass wir gar nicht mit dem Schöpfen nachgekommen sind“, erzählt Josef. Und die Zeit wird oftmals knapp, nur 15 Minuten ist der Bus bei einer Station. Aktuell ist der Bahnhof Meidling am stärksten frequentiert.
Bei der Ausfahrt am Freitag ist ungewöhnlich wenig los. „Das liegt vielleicht daran, dass es so kalt ist. Dann suchen mehr Menschen Notquartiere auf und bekommen dort etwas zu essen“, heißt es von der Caritas. Rudi ist aber auch heute hier.
„Ich komme jeden Tag her, die Suppe ist meine einzige Mahlzeit“, so der Pensionist. Er hat das Glück, in einer Wohnung zu wohnen, aber für mehr reicht das Geld nicht, und das, obwohl er 45 Jahre gearbeitet hat. „Der Canisibus bedeutet für mich Überleben“, sagt er dankbar. Einen zweiten Teller lehnt er ab, obwohl genug da wäre.
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