Die EU-Innenminister entscheiden am Donnerstag über die Erweiterung des Schengenraums um Bulgarien, Rumänien und Kroatien. Österreich wird - als einziges Land - laut Gerhard Karner (ÖVP) bei seinem Nein für Bulgarien und Rumänien bleiben. Scharfe Kritik an seiner Haltung kommt ausgerechnet von seinem Parteikollegen (und Vizepräsident des EU-Parlaments) Othmar Karas.
Eine Schengen-Blockade trage nichts zur Lösung bei den Asylzahlen bei und habe damit auch nichts direkt zu tun. Beides zu vermischen, sei „unverantwortlich und unsäglich“, so Karas in Richtung Karner.
Eine Schengen-Blockade trägt nichts zur Lösung bei den Asylzahlen bei und hat damit auch nichts direkt zu tun. Beides zu vermischen, ist unverantwortlich und unsäglich.
Othmar Karas (ÖVP), Vizepräsident des EU-Parlaments
NEOS-Chefin: „Herzstück des europäischen Projekts bedroht“
„Das angekündigte Veto Österreichs gegen den rumänischen und bulgarischen Schengen-Beitritt zeigt den Leichtsinn der österreichischen Bundesregierung und bedroht das Herzstück des europäischen Projekts: die Freiheit“, kritisierte auch NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger am Mittwoch laut Aussendung. Sie fordert die Bundesregierung auf, die Veto-Drohung zurückzunehmen.
Auch SPÖ übt Kritik an Karner und Nehammer
Der SPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament, Andreas Schieder, kritisierte seinerseits, dass die österreichische Bundesregierung erst kurz vor dem Gipfel der EU-Innenminister an Probleme bei der Migration erinnert habe. Der ehemalige Innenminister Karl Nehammer und sein Nachfolger Karner hätten schon jahrelang Zeit gehabt, etwas Besseres vorzuschlagen. „Jetzt ein Veto auf den Tisch zu legen, ist nur der Beweis des eigenen Versagens und der Unfähigkeit der österreichischen Bundesregierung“, sagte Schieder.
Karner: „Notruf“
Die Veto-Drohung bezeichnete Karner am Dienstag im „Ö1“-Morgenjournal als „Notruf“, auf den die EU-Kommission bisher nicht reagiert habe. Als Grund für die ablehnende Haltung nannte der Innenminister „mehr als 100.000 Asylanträge“ in diesem Jahr - eine Zahl, die ihm zufolge nicht möglich sein sollte, da Österreich ein Binnenland sei und über keine EU-Außengrenzen verfüge.
Mehr als 100.000 Asylanträge in diesem Jahr. Eine Zahl, die nicht möglich sein sollte, da Österreich ein Binnenland ist und über keine EU-Außengrenzen verfügt.
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) nennt die Gründe für Österreichs Nein zur Schengen-Erweiterung
Kanzler Nehammer bekräftigt Österreichs Ablehnung
Auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) bekräftigte am Dienstag auf dem Westbalkan-Gipfel in Tirana Österreichs Ablehnung. Demnach reicht der sogenannte Aktionsplan, den die EU-Kommission am Montag für den Westbalkan vorgelegt hat, nicht. Dieser sieht unter anderem vor, die Grenzkontrollen entlang der Westbalkan-Routen deutlich zu verstärken, auch mithilfe der EU-Grenzüberwachungstruppe Frontex. Auch sollen Rückführungen abgelehnter Asylsuchender beschleunigt werden.
Von der Leyen hat Verständnis für Österreichs Nein
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte Verständnis für die österreichische Position: „Österreich braucht Solidarität und Unterstützung, deshalb arbeiten wir ganz gezielt mit unseren österreichischen Freunden daran“, sagte sie.
Österreich sei von den Migrantenströmen „außerordentlich stark betroffen“ und „wenn wir uns anschauen, wie die illegale Migration ist, dann sehen wir, dass sie sich verdreifacht hat im Vergleich zum vergangenen Jahr.“
Auch Niederlande und Schweden gegen Schengen-Erweiterung
Die Niederlande und Schweden hatten sich lange Zeit ebenfalls ablehnend gegenüber der Erweiterung des Schengen-Raums gezeigt. Nach Schweden signalisierten aber die Niederlande Anfang der Woche, dem Beitritt aller drei Länder zustimmen zu wollen.
Bulgarien und Rumänien versuchten bis zuletzt Österreich und die Niederlande umzustimmen und übten heftige Kritik an der Veto-Drohung. Rumänien lehnte eine Vertagung der Abstimmung der EU-Innenminister ab. Der Standpunkt der österreichischen Regierung werde von keinem anderen EU-Mitgliedstaat geteilt, kritisierte der rumänische Regierungschef Nicolae Ciuca am Mittwoch.
Bulgarien droht mit „Gegenmaßnahmen“
Bulgariens amtierender Premierminister Galab Donev drohte mit „Gegenmaßnahmen“, sollten die Niederlande und Österreich gegen den Beitritt Bulgariens in den Schengenraum votieren, berichtete Euractiv. Er hoffe, dass sich bis zur Abstimmung „der gesunde Menschenverstand“ durchsetzen werde, so Donev. Welche Maßnahmen genau Bulgarien im Fall eines Vetos plane, sagte Donev nicht.
Die Aufnahme Kroatiens in den Schengenraum gilt als sicher. Über den Beitritt Kroatiens wird am Donnerstag getrennt abgestimmt, anschließend wird über die Erweiterung um Rumänien und Bulgarien entschieden Mit der Aufnahme der Länder in den Schengenraum würden die systematischen Ausweiskontrollen bei der Ein- oder Ausreise fallen.
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