100 Verhandlungstage
Auftakt im Prozess gegen Ex-Wirecard-Boss Braun
Es ist der größte Betrugsfall in Deutschland seit dem Jahr 1945 und es geht um sage und schreibe mehr als drei Milliarden Euro. Im Mittelpunkt steht der Österreicher Markus Braun. Ihm und zwei Mitangeklagten wird der Prozess gemacht. Der ehemalige Vertriebschef Jan Marsalek ist - wie berichtet - weiterhin untergetaucht.
Die Staatsanwaltschaft wirft Braun und seinen beiden Mitangeklagten vor, eine kriminelle Bande gebildet, die Konzernbilanzen gefälscht und Kreditgeber um 3,1 Milliarden Euro geprellt zu haben. Vor der Insolvenz des Konzerns im Sommer 2020 hatte der Vorstand eingeräumt, dass Erlöse in der Höhe von 1,9 Milliarden Euro unauffindbar gewesen seien, die aus Geschäften mit Partnerfirmen stammen sollten und angeblich auf Treuhandkonten in Südostasien verbucht waren. Ein großer Teil dieses Geschäfts lief über Dubai.
Braun sitzt im Gefängnis
Ex-Vorstandschef Braun weist die Vorwürfe bisher zurück. Er sei nach eigener Aussage nicht beteiligt gewesen und selbst Opfer krimineller Machenschaften in seinem Unternehmen geworden. So soll sein Mitangeklagter Oliver Bellenhaus, früherer Leiter der Wirecard-Tochtergesellschaft in Dubai, Milliarden Euro veruntreut haben. Beim Prozessauftakt in München am Donnerstag bestätigte Braun nur seine Personalien. „Absolut richtig“, antwortete der Manager laut der Nachrichtenagentur dpa auf die Frage, ob er in Bayerns größtem Gefängnis, der JVA Stadelheim, untergebracht sei. Zu den inhaltlichen Vorwürfen soll er dann kommende Woche erstmals Stellung beziehen.
Dazu wird er reichlich Zeit haben, denn es sind 100 Verhandlungstage angesetzt. Für den ersten Tag war im Wesentlichen die fünfstündige Verlesung des Anklagesatzes geplant, der 89 Seiten umfasst. Absehbar waren bereits vor Prozessbeginn einander widersprechende Aussagen der Angeklagten. Oliver Bellenhaus will sich laut Verteidigung etwa seiner Verantwortung stellen und kooperativ aussagen. Er dient der Staatsanwaltschaft als Kronzeuge und sitzt wie Braun in Untersuchungshaft. Der dritte Angeklagte ist der frühere Chefbuchhalter des Wirecard-Konzerns. Bei ihm wird davon ausgegangen, dass er die Aussage verweigern wird.
Urteil frühestens 2024
Ein Urteil in erster Instanz folgt frühestens im Jahr 2024. Abgeschlossen sind die Ermittlungen zu dem ehemaligen deutschen Zahlungsabwickler und Finanzdienstleister noch nicht, auch wenn nun der Prozess begonnen hat. Die britische Tageszeitung „Financial Times“ war vor der Insolvenz 2020 mutmaßlichen Manipulationen auf die Spur gekommen. Zweifel an den Bilanzen des Unternehmens wurden laut. Ohne die angeblichen Erlöse des Drittpartnergeschäfts sei die Firma defizitär gewesen, sagte Staatsanwalt Matthias Bühring am Donnerstag. Milliardenkredite waren laut Anklage nötig, „um den Kollaps des Unternehmens zu verhindern“.
Der frühere Vertriebschef Marsalek ist weiterhin flüchtig. Der Österreicher könnte in Moskau untergetaucht sein.
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