Theaterkritik

Handke-Premiere: Böse Rituale in der Altershölle

Kultur
10.12.2022 12:21

Am Donnerstagabend wurde das Stück „Zwiegespräch“ von Peter Handke im Wiener Akademietheater uraufgeführt. Von der kauzigen Altersmilde des Textes blieb wenig.

Ein Prosatext, der aber zwei Sprechern zugeordnet ist und damit Theatergängigkeit signalisiert: Fraglos ist Handkes Werk aufführbar. Darauf verweisen auch die Widmungsträger Otto Sander und Bruno Ganz. Der scharf artikulierende Norddeutsche und der wortkarge Schweizer hätten ein magisches Protagonistenpaar abgegeben. Dass der schmale Text zwei Toten zugeeignet ist, verstärkt den Eindruck eines kauzigen, elegischen Alterswerks. Zwei alte Männer verhandeln da ihr Jahrhundert, das Theater und die Fragen von Schuldigwerden und Verzeihen über Generationen.

Rieke Süßkow verabschiedet sich aus der knienden Haltung, mit der man sich Handke zu nähern pflegt. Als wäre es eine Jelinek’sche Textfläche, verteilt sie das Material auf fünf Personen: drei alte Männer und zwei junge Frauen, Insassen und Personal eines höllischen Altersheims. Die Alten werden auf Reisen nach Jerusalem geschickt, wer übrig bleibt, verschwindet. Bis sich der Schrecken in einer warmherzigen Schlusssequenz auflöst. Das gelingt in Mirjam Stängls albtraumhaftem Ambiente prinzipiell gut bis zur Groteske. 

Martin Schwab und Branko Samarovski sind Großcharismatiker, Hans Dieter Knebel, Elisa Plüss und Maresi Riegner verstehen ihr Handwerk. Das Problem ist die Textarbeit, einst Zentrum jeder Aufführung, heute Nebensache. Handkes Sätze in ihrer Magie und Schönheit wollen erobert sein, hier schlenzen sie ungenau deklamiert des Wegs, und das bekommt ihnen nicht.

Heinz Sichrovsky

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