Korruptionsverdacht
Vizepräsidentin des EU-Parlaments festgenommen
Ermittlungen zu Korruption, Geldwäsche und versuchter Einflussnahme eines Golfstaats erschüttern das Europaparlament. Nach Angaben der belgischen Staatsanwaltschaft gab es in dem Fall am Freitag 16 Durchsuchungen, fünf Personen wurden festgenommen, unter ihnen auch die Vizepräsidentin des Parlaments, Eva Kaili.
Bei den Ermittlungen gehe es um eine mutmaßliche kriminelle Organisation sowie Vorwürfe von Korruption und Geldwäsche, teilte die Behörde mit. Eva Kaili wurde infolge der Ermittlungen aus ihrer griechischen Partei, der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (PASOK), ausgeschlossen.
Welcher Golfstaat mutmaßlich Einfluss auf das Parlament auszuüben versucht, teilte die Staatsanwaltschaft nicht mit. Einer Recherche der Zeitung „Le Soir“ und des Magazins „Knack“ zufolge handelt es sich um das Emirat Katar.
Ehemaliger italienischer Europaabgeordneter unter Beschuldigten
Gemeinsamen Recherchen der französischsprachigen belgischen Tageszeitung „Le Soir“ und der flämischsprachigen Wochenzeitung „Knack“ zufolge handelt es sich bei einem beschuldigten Ex-Europaabgeordneten um den italienischen Sozialdemokraten Pier Antonio Panzeri, der von 2004 bis 2019 im Parlament saß und heute die Nichtregierungsorganisation Fight Impunity leitet, die sich gegen Menschenrechtsverletzungen wendet. Eine Anfrage von AFP zu den Ermittlungen ließ Fight Impunity zunächst unbeantwortet.
„Le Soir“ und „Knack“ zufolge wurden zudem ein parlamentarischer Mitarbeiter und der Vorsitzende einer weiteren NGO festgenommen - sowie der Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB), der Italiener Luca Visentini. Der IGB teilte auf seiner Website mit, die Organisation sei „über die in der Presse verbreiteten Informationen informiert“, lehne jedoch „zum jetzigen Zeitpunkt“ jeglichen Kommentar ab.
„Weiterhin Druck auf Behörden und Arbeiter ausüben“
Visentini hatte noch in dieser Woche in einem am Freitag von AFP veröffentlichten Interview über die Situation der Arbeiter in Katar gesprochen. Er rief in dem Gespräch insbesondere dazu auf, „weiterhin Druck auf die Behörden und Arbeitgeber auszuüben“, um bessere Löhne und mehr Mobilität bei der Arbeit zu erreichen.
Die Griechin Kaili hatte noch am 21. November eine Rede im Europaparlament zur Fußball-Weltmeisterschaft in Katar gehalten. Darin bezeichnete sie das Sport-Ereignis als Beweis dafür, dass „Sportdiplomatie einen historischen Wandel in einem Land bewirken kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben“. Katar habe etwa bei Arbeitsrechten eine Vorreiterrolle gespielt.
Eine von 14 Vizepräsidentinnen und -präsidenten
Über Kailis Parteiausschluss informierte am Freitag Parteichef Nikos Androulakis. Sie ist seit 2014 Europaabgeordnete und seit 2022 eine von 14 Vizepräsidentinnen und -präsidenten des Parlaments. Von 2004 bis 2007 war sie ihrem Lebenslauf auf der Parlaments-Homepage zufolge Nachrichtensprecherin und Journalistin, später auch noch PR-Beraterin in Griechenland.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hat die belgische Polizei seit mehreren Monaten den Verdacht, dass ein Golfstaat versucht, die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen des EU-Parlaments zu beeinflussen. Beträchtliche Geldsummen oder Sachgeschenke seien vermutlich an Personen im Parlament verteilt worden, die eine politische oder strategische Position innehätten. Bei den Durchsuchungen wurden der Staatsanwaltschaft zufolge unter anderem 600.000 Euro Bargeld sowie Handys beschlagnahmt.
„Keine Toleranz für Korruption“
Ein Sprecher des Europaparlaments sagte auf Anfrage, zu laufenden Ermittlungen äußere man sich nicht. Man werde jedoch vollständig mit den zuständigen Behörden kooperieren. Ähnlich äußerte sich die sozialdemokratische Fraktion des Parlaments. Die Fraktion habe keine Toleranz für Korruption. Zugleich müssten im Parlament die Arbeit an allen Themen, die die Golfstaaten betreffen, sowie die Plenarabstimmungen dazu ausgesetzt werden.
„Vorwürfe müssen lückenlos aufgeklärt werden“
Der Ko-Vorsitzende der Arbeitsgruppe Anti-Korruption des Parlaments, Daniel Freund, zeigte sich von den Ermittlungen geschockt. „Die Vorwürfe müssen lückenlos aufgeklärt werden“, sagte der Grünen-Politiker. Geld dürfe bei den Entscheidungen in Europas größtem Parlament keine Rolle spielen. Es drohe ein gewaltiger Vertrauensverlust.
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