Neben den zahlreichen Verwundeten und Getöteten im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, gibt es noch eine dritte Kategorie an Opfern, deren Schicksale oft weit weniger bekannt sind: die Kriegsgefangenen. Ein aktueller Medienbericht zeigt nun auf, wie Russland mit ukrainischen Kriegsgefangenen umgeht - und das Bild ist verheerend. Betroffene berichten von Tasern, Stromschlägen und Schlägen mit Knüppeln.
Kriegsgefangene stehen eigentlich unter dem Schutz der Genfer Konvention - so sind jegliche Vergeltungsmaßnahmen gegen sie verboten. Die Gefangenen haben laut dem völkerrechtlichen Vertrag unter allen Umständen Anspruch auf Achtung ihrer Person und Ehre.
„Sie schlugen uns mit Knüppeln und Stöcken“
Die „Washington Post“ berichtete nun von ukrainischen Kriegsgefangenen, die zusätzlich zu den Kampfverletzungen in den Monaten ihrer Gefangenschaft misshandelt worden sein sollen. Hervorstehende Schulterblätter und Rippen, bandagierte Gliedmaßen und lange Narben: „Ich habe mich dort mehr als einmal von meinem Leben verabschiedet“, zitiert die Zeitung einen gewissen Vitali (sein Nachname wird zu seinem Schutz nicht veröffentlicht).
„Taser, Stromschläge - sie schlugen uns mit Knüppeln, sie schlugen uns mit Stöcken. Die Schläge waren so heftig, dass ich sie nicht ertragen konnte“, berichtet er weiter. „Meine Rippen wurden gebrochen; mir wurde in die Nieren geschlagen“, zehn Tage lang habe er Blut uriniert, ohne dass er medizinisch versorgt wurde.
Massiv unterernährt - nun strenge Diät nötig
Vitali war gemeinsam mit vielen anderen Soldaten Ende Mai von russischen Streitkräften in Mariupol gefangen genommen worden - er gehörte dabei zu einer der letzten Truppen, die das Stahlwerk Asowstal verteidigten. Nach der Freilassung landete er gemeinsam mit seinen Kameraden im Krankenhaus.
Dort bekommen sie jedoch auch nur eine strenge Diät - die meisten Soldaten waren laut des Krankenhausdirektors derart unterernährt, dass sie auch zu Hause nur 300 Milliliter Hühnersuppe bekamen - sie waren meist auch nicht in der Lage, mehr zu verdauen.
Plastiksäcke über den Kopf gezogen
Auch Mykola (sein voller Name wird ebenso nicht genannt) erlitt ein ähnliches Schicksal in Russland - auch er berichtet von Schlägen und Elektroschocks. Dazu hätte man ihm Plastiksäcke über den Kopf gestülpt und ihn dabei fast ersticken lassen. „Es gibt viele Methoden, einen Menschen zum Reden zu bringen. Sie haben uns auch in Handschellen aufgehängt“, erzählt Mykola der „Washington Post“ von den brutalen Verhörmethoden der Russen.
Es gibt viele Methoden, einen Menschen zum Reden zu bringen.
Kriegsgefangener Mykola
Alleine seit September wurden mehr als 800 ukrainische Gefangene im Zuge eines Austausches mit Russland wieder freigelassen. Der Erfolg dieser Verhandlungen weckt dabei Hoffnungen, dass es doch noch einen gemeinsamen Rahmen für künftige Friedensgespräche geben könnte.
Zeichen deuten auf langen Konflikt hin
Die Freilassung derart vieler Menschen könnte aber auch ein unheilvolles Zeichen für die Entwicklung des Krieges sein. Der verstärkte Austausch könnte nämlich bedeuten, dass man sich auf einen länger andauernden Konflikt einstellt, erklärte der Militär- und Verteidigungsanalyst David Silbey gegenüber der Zeitung.
Zum einen benötige man für derart viele Gefangene viele Ressourcen, zum anderen zeigt es, dass Russland wohl Probleme hat, die eigenen Versorgungsketten aufrechtzuerhalten: „Wenn dann noch der Winter dazukommt, wird die Situation noch viel schwieriger“, so Silbey.
Beidseitige Verstöße, Russen lassen keine Kontrolle zu
Eine genaue Anzahl der Kriegsgefangenen ist momentan nicht bekannt - weder von russischer, noch von ukrainischer Seite. Das internationale Rote Kreuz spricht jedenfalls von Tausenden. Beamte der Vereinten Nationen haben bereits Beweise für Folter und Misshandlung auf beiden Seiten gefunden.
Auch russische Soldaten hätten „glaubwürdige Behauptungen“ über Hinrichtungen sowie „mehrere Fälle von Folter und Misshandlung“ durch ukrainische Truppen aufgestellt, so die Leiterin der UN-Menschenrechtsbeobachtungsmission, Matilda Bogner.
Im Gegensatz zu Russland, hätte die Ukraine den Vereinten Nationen aber nicht nur Zugang zu den Kriegsgefangenen gewährt, sondern auch zugesagt, etwaigen Foltervorwürfen von ihrer Seite nachzugehen.
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