Besuch im Top-Institut

Physiker „wollen die Grenzen stets überschreiten“

Tirol
15.12.2022 15:00

Über neun Jahre lang forschte Anton Zeilinger am Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck. Für seine Forschung auf dem Gebiet der Quantenteleportation bekam er den diesjährigen Physik-Nobelpreis. Doch nicht nur deswegen machte sich die „Krone“ auf den Weg zum Technik-Campus.

Immer wieder machen die dort forschenden und lehrenden Physiker Schlagzeilen. Zuletzt vor allem bei der Entwicklung von Quantencomputern. Im vierten Stock des Viktor-Franz-Hess-Hauses, das nach dem im Jahr 1936 mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichneten Viktor Franz Hess benannt ist, der am Hafelekar eine Messstation zur Beobachtung der kosmischen Strahlung initiierte, begrüßen die Professoren Rudolf Grimm und Roland Wester „Tiroler Krone“-Redakteur Manuel Schwaiger.

Grimm beschäftigt sich mit superkalter Quantenmaterie, während Wester die Wechselwirkung zwischen Molekülen und elektrisch geladenen Atomteilchen, so genannten Ionen, erforscht.

Rudolf Grimm arbeitet auf dem Gebiet superkalter Quantenmaterie. (Bild: Birbaumer Christof)
Rudolf Grimm arbeitet auf dem Gebiet superkalter Quantenmaterie.

Von GPS-Systemen bis hin zum Quanten-Internet
Klingt kompliziert? Ist es für einen Laien natürlich auch. Doch die beiden Physiker geben sich Mühe, verständlich zu erklären, woran sie arbeiten und womit sie in Zukunft möglicherweise weitere große Schlagzeilen machen werden.

Grimm führt aus, dass es bei der Quantenphysik „nicht nur um schnelle Algorithmen auf dem Quantencomputer geht, sondern auch um die Entwicklung von sehr präzisen Sensoren. Zeit kann damit noch viel exakter gemessen werden, es entstehen die besten Atomuhren“. Die heutigen GPS-Systeme können damit in Zukunft um ein Vielfaches genauer arbeiten.

Wester ergänzt, dass es auch darum geht, „neue Verschlüsselungstechniken zu entwickeln. Das wird vielleicht noch länger nicht breitere Anwendung finden, aber in der Banken-Kommuniaktion wird an diesen Techniken schon gearbeitet.“ Fleißig geforscht wird in Innsbruck auch am Quanten-Internet, das es letztlich ermöglichen soll, Daten noch schneller, noch sicherer und über noch größere Distanzen auszutauschen.

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Derzeit untersuchen wir die Grundprinzipien supraleitender Materialien. Die ermöglichen es uns vielleicht einmal auch bei Zimmertemperatur ohne großen Aufwand den Strom völlig ohne Verlust zu transportieren.

Rudolf Grimm

Auf der Suche nach der Lösung aktueller Krisen
Besonders interessant in Zeiten der Energiekrise. „Es gibt Materialien, die reibungsfrei Strom leiten, sogenannte Supraleiter. Dadurch kann man extrem viel Energie sparen, da man diese ohne Verlust über lange Strecken transportieren kann. Derzeit untersuchen wir die Grundprinzipien supraleitender Materialien. Die ermöglichen es uns vielleicht einmal auch bei Zimmertemperatur ohne großen Aufwand den Strom völlig ohne Verlust zu transportieren“, erklärt Grimm.

Alles optimieren, was optimiert werden kann – darum geht es den Physikern in Innsbruck und rund um den Globus. Nur so könne man die derzeitigen Krisen in den Griff bekommen.

„Suchen nach Wegen, um CO2 wieder umzuwandeln“
Aber nicht nur die Quantenphysik arbeitet an der Rettung der Welt. „Die Ionen und wie sie sich verhalten, spielen in der Atmosphäre eine wichtige Rolle“, erklärt Wester. Untersucht wird derzeit, wie sie dazu beitragen, dass Wolken entstehen. Hierfür wird auch mit dem CERN in der Schweiz zusammengearbeitet, wo Höhenstrahlung simuliert wird. „Das ist wichtig für das Verständnis des Treibhauseffektes und seinen Veränderungen. Man kann dabei auch simulieren, wie die Erdatmosphäre vor 200 Jahren war, also bevor fossile Brennstoffe verwendet wurden.“

Das Ziel, das dahinter steckt: „Wir versuchen herauszufinden, wie man Kohlendioxid und seine Eigenschaften manipulieren kann, um einen Weg zu finden, ausgestoßenes CO2 zu binden oder umzuwandeln, sodass man es wieder zurückholen und nutzen kann“, verdeutlicht Wester.

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Wir versuchen herauszufinden, wie man Kohlendioxid und seine Eigenschaften manipulieren kann, um einen Weg zu finden, ausgestoßenes CO2 zu binden oder umzuwandeln, sodass man es wieder zurückholen und nutzen kann.

Roland Wester

Noch viele offene Fragen bei der Dunklen Materie
Und was tut sich bei der dritten großen Säule, der Astrophysik? „Ich bin dafür kein Experte, aber hier wird erforscht, wie sich Galaxienhaufen auf großen Skalen verhalten und wie man dadurch etwas über die Eigenschaften der Dunklen Materie lernen kann, also dem, was unseren ganzen Kosmos letztlich ausmacht. Dabei gibt es viele unverstandene Fragen, die zum Teil auch zu den anderen Disziplinen zurückführen“, sagt Wester.

Das Universum und seine Ursprünge verstehen und die Welt besser machen. Damit lässt sich wohl am besten zusammenfassen, wie die noblen Ziele der Wissenschaftler aussehen. Oder wie es Grimm ausdrückt: „Wir versuchen Grenzen zu überschreiten und Dinge zu untersuchen, um damit Neuland zu begründen.“

„Teilweise arbeiten 2000 Wissenschaftler an einem Projekt“
Bei all dem verstecken sich die Physiker aber nicht in ihren Laboren und hinter den Computern, sondern es findet auch ein reger Austausch mit Kolleginnen und Kollegen weltweit statt. „Teilweise arbeiten 2000 Wissenschaftler an einem Projekt zusammen“, rechnet Grimm dazu vor. Natürlich herrscht unter den Physikern aber auch ein gesunder Wettbewerb. „Klar gibt es Fragen, wo man stolz ist, wenn man der oder die Erste ist, der bzw. die etwas erreicht“, geben die beiden Wissenschaftler zu.

Stolz sind Grimm und Wester auch darauf, dass „die Quantenphysik in Innsbruck absolute Weltgeltung hat“. Auf den Top-Konferenzen in diesem Bereich sei Innsbruck stets vertreten.

Video: Vorgeschmack auf den großen Teilchenbeschleuniger im CERN in Genf

Schub beim Nachwuchs dank „Big Bang Theory“
Und wie ist es um den Nachwuchs bestellt? „Im Bachelor ist die Zahl der Studierenden in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen“, freut sich Wester. An dieser Stelle drängt sich natürlich auch die Frage auf, ob die bekannte US-amerikanische Serie „The Big Bang Theory“ mitverantwortlich für diesen Schub ist. „Absolut. Im Vergleich zu vor 20 Jahren, als ich nach Innsbruck kam, hat sich die Anfängerzahl verdreifacht. Hier hat die Serie sicherlich viel dazu beigetragen“, meint Grimm.

Übrigens seien viele Aspekte der Serie - wenn auch etwas vereinfacht dargestellt - überaus realistisch. Auch was den Umgang mit Erfolg und Misserfolg anbelangt.

Fakten

  • Die Physik an der Universität Innsbruck unterteilt sich in die vier Bereiche Astro- und Teilchenphysik, Experimentalphysik, Ionenphysik und Angewandte Physik sowie die Theoretische Physik und zählt rund 850 Studierende sowie 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
  • Roland Wester legte 1999 an der Universität Heidelberg seine Dissertation vor. Von 2000 bis 2002 war er Post-Doc an der University of California. Für seine Arbeiten über den Ablauf Chemischer Reaktionen in der Gasphase erhielt er 2009 den „Gustav-Hertz-Preis“. Seit 2013 ist er Mitglied der Jungen Akademie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
  • Rudolf Grimm absolvierte sein Studium 1986 in Hannover. Anschließend forschte er an der ETH Zürich. Seit 2003 ist er Wissenschaftlicher Direktor am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Er ist Träger des Wittgenstein-Preises.

Labore voller Hightech, um die letzten Rätsel zu lösen
Nach diesen Ausführungen öffnen die Wissenschaftler die Tore zu ihren Laboren. Hier werden mit Lasern, Beschleunigern und Co. die zuvor angesprochenen Rätsel des Universums und der Erde erforscht. Mit spürbarer Leidenschaft erklären die Physiker die Mechanismen dahinter. Für einen Laien bleiben aber selbst diese wohl für immer Dunkle Materie.

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