Er hat als Monarch bereits zwei Premierminister erlebt, wurde mit Eiern beworfen und muss fast täglich Berichte über den Bruch in seiner Familie erdulden. Dass König Charles III. einen ruhigen Start ins Amt hatte, wäre wohl eine typisch britische Untertreibung. Am Samstag (17.12.) ist es 100 Tage her, dass der „ewige Thronfolger“ mit dem Tod seiner Mutter Queen Elizabeth II. an die Spitze des Vereinigten Königreichs rückte.
Es habe sich schon die Frage gestellt, wie es nach 70 Jahren unter der Queen mit einem neuen Monarchen sein würde, sagt der Monarchie-Beobachter Craig Prescott der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Nur wenige Menschen in Großbritannien hatten einen anderen Monarchen erlebt als die Queen. Charles war als Thronfolger zwar seit Jahrzehnten prominent in der Öffentlichkeit. Doch lange wurde er eher belächelt denn ernst genommen.
Das lag auch daran, dass er seine im Volk beliebte Frau Diana betrog - doch mittlerweile ist er mit seiner damaligen Geliebten Camilla seit gut 17 Jahren verheiratet, und die neue Königsgemahlin wird immer mehr respektiert. Sein Einsatz für Umwelt und Natur galt noch vor wenigen Jahren als grüner Spleen - das hat sich spätestens mit dem Bewusstsein über die Klimakrise geändert. „Seine Thronbesteigung verwandelte den unglückseligen Erben in einen würdevollen Souverän und das Staatsoberhaupt Großbritanniens“, lobt die „New York Times“.
Auftakt gilt als würdevoll
Jahrzehntelang konnte sich Charles vorbereiten. Dass er im Schatten der Krone teils eine gewisse Narrenfreiheit genoss, könnte ihm durchaus zugutegekommen sein, meinen Beobachter in London.
Er habe nach dem Tod seiner Mutter die Aufgabe, König zu sein, über seine persönliche Trauer gestellt, sagt Experte Prescott. „Viele Menschen waren überrascht, wie reibungslos der Übergang war. Es war buchstäblich wie ,Die Queen ist tot, lang lebe der König!‘“ Der Experte urteilt: „Seine ersten 100 Tage hätten nicht besser laufen können.“
Der Ex-Chef der Zeitung „Daily Mail“, Geordie Greig, drückt es so aus: „Die einzigen Gespräche über den König sind: ,Macht er nicht einen großartigen Job?‘“
Der Auftakt gilt als würdevoll. Gleich am Abend seines ersten vollen Tags im Amt erneuerte Charles das Versprechen seiner Mutter zum lebenslangen Dienst. Damit war der Ton gesetzt - und zugleich jedes Gerücht abgeräumt, der Neue sei nur Platzhalter für seinen ältesten Sohn William (40). Während der Trauerfeiern zeigte sich Charles zurückhaltend vor allem als Sohn. Seit dem Ende der Trauerzeit aber sucht er offensiv als König den Kontakt mit seinen Untertanen.
„Erleben Öffnung der Monarchie“
Kaum ein Tag, an dem sich der 74-Jährige nicht in der Öffentlichkeit zeigt. Einmal empfängt er Würdenträger im Buckingham-Palast in London, den er wieder zum Mittelpunkt der Monarchie gemacht hat, nachdem die Queen - auch wegen der Pandemie - zuletzt Schloss Windsor kaum verließ. Dann wieder ist Charles gemeinsam mit Camilla in Wales, am nächsten Morgen taucht er im Londoner Speckgürtel auf. „Wir erleben eine Öffnung der Monarchie. Wir sehen den König unterwegs“, sagt Experte Prescott. Der Kontakt mit den Schaulustigen wirkt locker. Entgegen dem Protokoll lässt sich Charles auch einmal umarmen.
Doch ganz so einfach ist es mit dem Wechsel an der Spitze des Staates nicht getan. Zwar empfangen die meisten Menschen den König mit Jubel. Schon zwei Mal aber wurde der Monarch mit Eiern beworfen. Das hätte es wohl bei seiner Mutter nicht gegeben, sind Beobachter sicher. Der Protest richtet sich offenbar gegen den Umgang des Königshauses mit der britischen Kolonialvergangenheit. Charles, der nicht getroffen wurde, ließ sich nicht irritieren, sondern setzte das Händeschütteln demonstrativ fort und blickte nur kurz auf das kaputte Ei vor ihm.
Rassismus-Skandal um Hofdame
Für mehr Aufsehen sorgte ein Skandal in seinem direkten Umfeld: Eine Hofdame, jahrzehntelange Begleiterin der Queen, hatte sich bei einem Empfang im Gespräch mit einem weiblichen Gast rassistisch geäußert. Im März 2021 hatten ausgerechnet Charles‘ jüngerer Sohn Prinz Harry und dessen Ehefrau Herzogin Meghan die Debatte aufgemacht, wie rassistisch der Palast sei. Nun drohte eine neue Eskalation. Doch indem der König rasch die Aussagen der ehemaligen „lady-in-waiting“ verurteilen ließ, habe er eine Diskussion im Keim erstickt, lobten Kommentatoren.
Bleibt noch die vielleicht größte Baustelle für den Monarchen: die eigene Familie. Ausgerechnet kurz vor dem Amtsjubiläum wollte der Streaming-Riese Netflix den zweiten Teil seiner Dokumentation über Harry und Meghan veröffentlichen. Blieben in Teil eins die Vorwürfe gegen den Palast hinter den Befürchtungen zurück, rechneten Beobachter nun in „Volume II“ am 15. Dezember mit heftigerer Kritik. Nicht nur Experte Prescott erwartet, dass es für das Paar danach kaum einen Weg zurück in den engeren Kreis der Royal Family geben dürfte. Zudem erscheint am 10. Jänner Harrys Autobiografie. Dann dürfte es neue Vorwürfe gegen den Palast und vielleicht Charles selbst geben.
Schon jetzt fordern Konservative, Harry und Meghan die Titel zu entziehen, die sie trotz ihres Rückzugs aus dem Königshaus noch haben. Der Druck auf Charles, seinen Sohn zu verstoßen, dürfte bald weiter wachsen. Wie der Monarch dann reagiert, könnte seine Regentschaft definieren - weit über die nächsten 100 Tage hinaus.
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