Weil er einem ihm völlig unbekannten Mann mit einem einzigen wuchtigen Hieb mit einem Kantholz das Schädeldach eingeschlagen und ein Schädel-Hirn-Trauma zugefügt hatte, ist Freitagabend ein 41-Jähriger von einem Wiener Schwurgericht zu 18 Jahren Haft verurteilt worden. Das Opfer - zum Tatzeitpunkt 44 Jahre alt - überlebte mit großem Glück.
Der Angeklagte bekannte sich zum inkriminierten versuchten Mord „nicht schuldig“. Der Schuldspruch erfolgte nicht nur wegen Mordversuchs, sondern auch wegen schwerer Körperverletzung. Der Beschuldigte wurde zudem in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Ein Zeuge verwechselte den Termin
Der letzte Verhandlungstag gestaltete sich schwierig. Ein Zeuge verwechselte den Termin und reiste mit mehrstündiger Verspätung aus Niederösterreich zu dem Prozess. Die Verhandlung dauerte am Freitag bis in die Abendstunden.
Opfer hatte keine Zeit sich zu wehren
Der Angeklagte behauptete von Anfang an, er habe sich gegen einen gegen ihn gerichteten Angriff zur Wehr gesetzt. Er sei „direkt attackiert“ worden, habe das Kantholz vom Boden aufgehoben und „gleich in der Bewegung auf ihn hingeschlagen. Ich wollte nicht gegen den Kopf zielen“, meinte der 41-Jährige bereits am ersten Verhandlungstag Anfang November.
Zeugin filmte Angeklagten mit dem Handy
Er wurde allerdings von einer völlig unbeteiligten Zeugin belastet, die die Szene am Heimweg nach einem Ausgang mit ihrem Freund zufällig beobachtet hatte. Die Studentin verfolgte den Angeklagten und dessen beide Begleiter und filmte diese mit ihrem Handy. Danach ging sie zurück zum Tatort und kümmerte sich um den lebensgefährlich Verletzten. Diesem sei „mit voller Wucht gegen den Kopf geschlagen worden“, gab die 28-Jährige vor Gericht zu Protokoll. Einen vorausgegangenen Angriff auf den Angeklagten habe sie nicht wahrgenommen.
Dem widersprach die Lebensgefährtin des angeklagten Mannes am zweiten Verhandlungstag am Freitag. Ihr Freund sei nach dem Vorfall mit den beiden Begleitern nach Hause gekommen und hatte selbst eine blutige Wunde am Kopf und an der Nase sowie ein blaues Ohr. Ihr Lebensgefährte habe ihr erzählt, dass er von den Männern angegriffen wurde, die dieses Kantholz mitbrachten. Als das Holz auf den Boden fiel, schnappte er es sich und will als Verteidigung zugeschlagen haben.
Männer wollten nach eigenem Bekunden „Faschos klatschen“
Die gewalttätige Attacke hatte sich in der Nacht auf den 11. Juli 2020 in Wien-Simmering abgespielt. Der Angeklagte - laut Staatsanwältin von Jugend an der Punk-Szene verbunden und von extrem linkem Gedankengut geprägt - war am Weg zum in seinen Kreisen geschätzten Ernst-Kirchweger-Haus im Bezirk Favoriten, das damals von Rechten belagert wurde. Die drei wollten nach eigenem Bekunden „Faschos klatschen“. Sie waren erheblich alkoholisiert und zogen weit nach Mitternacht grölend und singend durch die Straßen. Das Opfer, der gerade mit dem Taxi nach Hause gekommen und im Begriff war, in seine Wohnung zu gehen, sprach sie auf die Lautstärke an und bat die Gruppe, leiser zu sein.
Opfer wäre nach Attacke beinahe gestorben
Daraufhin entstand ein zunächst verbaler Streit, der plötzlich handgreiflich wurde, wobei der Angeklagte sich eines Kantholzes bedient haben soll, das von einer Baustelle stammte - eine gegenüber dem Wohnhaus des Opfers gelegene Schule wurde gerade umgebaut. Dabei sei das Opfer bereits dabei gewesen, sich zu entfernen, wie die Staatsanwältin betonte. Der Angeklagte habe dem Mann „massive und lebensbedrohliche Verletzungen zugefügt. Hätten diese zu einer Hirnblutung oder einer Lungenembolie geführt, wäre er gestorben“.
Das Opfer - von Beruf Lohnverrechner - sei mit mehreren Bruchstellen des Schädels wochenlang im Spital gelegen, habe erst wieder das Essen und Gehen lernen müssen. Seinen Job habe er aufgrund anhaltender Konzentrationsprobleme aufgegeben.
Kann sich an den Angriff nicht mehr erinnern
Mittlerweile geht es dem inzwischen 46-Jährigen wieder besser - abgesehen von den Folgen eines Kreuzbandrisses, denn er war nach dem Schlag bewusstlos zu Boden gegangen und hatte sich auch beim Sturz eine entsprechende Verletzung zugezogen. An die Tat selbst hatte der Mann bei seiner Zeugenaussage keine Erinnerung, er wies jedoch die Behauptung des Angeklagten am ersten Verhandlungstag, die Aggression wäre von ihm ausgegangen, als haltlos zurück.
Auch sein bisheriger Lebenswandel spricht nicht unbedingt dafür, dass der Angeklagte in Notwehr gehandelt hat. Er weist nicht weniger als 17 Vorstrafen auf, davon die meisten wegen Raufhandels und Körperverletzung. Mehrfach war er bereits im Gefängnis. Weil er nach dem prozessgegenständlichen Vorfall nicht wieder in Haft kommen wollte, tauchte er eine Zeit lang unter.
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