Seit Jahren sind Politikverdrossenheit und Vertrauensverlust zwei wichtige Begriffe, die die Beziehungen zwischen den Politikern und dem Wahlvolk umreißen. Nun haben Meinungsforscher und Politologen in einer Langzeitstudie den Image-Wandel der österreichischen Politiker nachgezeichnet. Peter Hajek und Peter Ulram sprachen am Dienstag bei der Präsentation der Ergebnisse von „vertrauensvollen Untertanen“, die sich zu „misstrauischen, kritischen Staatsbürgern“ gewandelt hatten.
Auf Basis repräsentativer Umfragen von 1974 bis 2022 haben die beiden Meinungsforscher das Verhältnis zwischen Bürgern und Politik nachgezeichnet. Die aktuellen Zahlen stammen aus einer repräsentativen Befragung im Juli 2022 mit 800 Interviews (telefonisch und online, Schwankungsbreite plus/minus 3,5 Prozent). Frühere Studien stammen aus dem wissenschaftlichen Fundus von Peter Ulram und sind überwiegend GfK-Studien, die telefonisch oder persönlich durchgeführt wurden. Es handelt sich dabei um Eigenstudien ohne Auftraggeber.
Wie stark das Image der Politiker gelitten hat, haben Hajek und Ulram anhand der Zustimmung zu einigen Statements erhoben. Der Aussage, Politiker machen ihre Sache im Großen und Ganzen nicht gut, stimmten 1981 nur 30 Prozent zu, heuer hingegen 64 Prozent. Und die Zustimmung zur Aussage, Politiker sind korrupt und bestechlich, stieg von 38 auf ebenfalls 64 Prozent. 66 Prozent meinten heuer, Politiker kümmern sich nicht redlich um ihre Wähler, hier beträgt die Steigerung seit 1981 nur neun Prozentpunkte. Relativ stabil blieb hingegen die Zustimmung zur Aussage, Politiker kümmern sich nicht viel um das, was Leute wie ich denken - von 73 Prozent im erstmals abgefragten Jahr 1974 zu 75 Prozent heuer.
Immer höhere Anforderungen an Politiker
Dass die Menschen im Laufe der letzten fünf Jahrzehnte von einer Kultur der Untertanen eher zu kritischen Bürgern wurden, dafür machen Hajek und Ulram die Bildungsexplosion der 70er-Jahre und das Aufkommen einer Medienlandschaft jenseits der Parteizeitungen mitverantwortlich. Auf der einen Seite stand eine Bevölkerung, die ein nachlassendes Kümmern der politischen Elite erlebte und sich gleichzeitig zunehmend politisch kompetenter und besser informiert fühlte. Auf der anderen Seite standen politische Amtsträger, deren Anforderungen immer internationaler und komplexer wurden und die einer immer höher gebildeten und besser informierten Bevölkerung gegenüberstanden. Dass das Misstrauen gegenüber den politischen Eliten heute überwiegt, sei nicht ausschließlich den Krisen der letzten Jahre zuzurechnen.
Die Einschätzung, inwieweit sich Politiker um die Anliegen der Bürger kümmern, liegt seit Jahrzehnten konstant auf niedrigem Niveau. Insgesamt schätzen 81 Prozent ihre Bedeutung für politische Eliten als niedrig ein. Deutlich gestiegen ist hingegen die Einschätzung der eigenen Kompetenz, politische Vorgänge bewerten zu können. Betrachteten sich 1989 lediglich 38 Prozent der Bevölkerung als ausreichend qualifiziert, um am politischen Geschehen teilnehmen zu können, tun das heute 60 Prozent. 65 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher glauben, einen guten Einblick in die wichtigsten Probleme des Landes zu haben, 1993 lag dieser Wert bei 53 Prozent. 28 Prozent sehen sich als gut qualifiziert, um am politischen Geschehen teilzunehmen. Weitere 30 Prozent sehen sich als ausreichend qualifiziert, und 41 Prozent sehen sich als nicht ausreichend qualifiziert.
Die meisten „misstrauischen Staatsbürger“ hat die FPÖ
Neben den „misstrauischen Staatsbürgern“ und den „vertrauensvollen Untertanen“, die quasi die beiden Gegenpole bilden, haben die Forscher auch noch zwei weitere Gruppen isoliert: „misstrauische Untertanen“ und „vertrauensvolle Staatsbürger“. Bringt man die Parteipräferenzen der Befragten ins Spiel, finden sich bei der FPÖ die meisten „misstrauischen Staatsbürger“. Bei den anderen Parteien macht die Gruppe der „vertrauensvollen Staatsbürger“ rund ein Viertel aus, bei der SPÖ allerdings auch nur acht Prozent, was Hajek mit der derzeitigen Oppositionsrolle der SPÖ erklärte.
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