Ende April war Tennis-Legende Boris Becker zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, nachdem er Teile seines Vermögens in seinem Insolvenzverfahren nicht ordnungsgemäß angegeben hatte. Nun kam der 55-Jährige nach 231 Tagen hinter englischen Gittern aufgrund der Überfüllung der Haftanstalten überraschend frei. Darüber, was er erst im Wandsworth-Gefängnis und später im Huntercombe Prison erlebt hatte, packte der dreifache Wimbledon-Sieger nun in einem ausführlichen Interview mit dem deutschen TV-Sender Sat.1 aus.
„Ich fühle mich wohl in der Freiheit“, begann Becker das Gespräch mit Steven Gätjen. Dass er zurecht im Gefängnis saß, wolle er gar nicht erst bestreiten. „Natürlich war ich schuldig.“ Er habe unter anderem Gelder aus Firmenkonten genommen sowie ein Haus und dessen Hypothek verschwiegen, so sein Geständnis. Insgesamt wurde Becker in vier von 29 Punkten für schuldig gesprochen. „Das Herz rutschte mir in den Keller“, erinnert er sich an den Moment, in dem ihm das Urteil verkündet wurde.
Was die Tennis-Legende von da an erwartete, schilderte er nun in seinem ersten Interview seit seiner Freilassung. „Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben Hunger gefühlt.“ Sieben Kilogramm habe er in den vergangenen Monaten an Gewicht verloren. In seinem Umfeld seien Drogen sowie selbst-gebrannter Schnaps gedealt worden, er selbst habe jedoch die Finger davon gelassen. Selbst Zigaretten habe er in der Zeit nicht angefasst.
Horror-Knast
Besonders erschreckt haben Becker die Verhältnisse im berüchtigten Wandsworth-Gefängnis. „Es war extrem schmutzig. Zudem waren dort Mörder, Kinderschänder und Drogendealer Zelle an Zelle. Man trifft hier auf jeden.“ Der 55-Jährige habe nie gewusst, was der Häftling hinter ihm verbrochen haben könnte. Besonders große Angst habe er außerdem vor dem Duschen und der dortigen Gefahr vor Attacken gehabt. Zu seiner Entwarnung konnte sich Becker in einzelnen Kabinen waschen. Auch die Sorge, in einer Doppelzelle zu landen, blieb letztlich ein Szenario, das ihm erspart blieb. Einen Namen habe er im Knast nicht gehabt. „Ich hatte nur eine Nummer“. Wo man sich hinbewege, werde man mit jenen Ziffern angesprochen.
Auf ihn geachtet hätten sogenannte „Listener“, die Becker vor Attacken bewahren mussten. „Die Jungs haben mich beschützt und mir das Leben gerettet.“ Ein Insasse, der bereits 16 Jahre eingesessen hatte, habe ihn sogar töten wollen, nachdem er Becker in seine Zelle gelockt hatte. „Ich habe am ganzen Körper gezittert“, erinnert sich der Baden-Württemberger an den Mordversuch.
Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben Hunger gefühlt.
Boris Becker
Auf Knien um Vergebung gebeten
Kurios: Am Tag darauf habe ihn der Häftling auf Knien um Verzeihung gebeten. „Ich habe die Entschuldigung angenommen und ihm gesagt, dass ich großen Respekt davor habe“, so die Tennis-Ikone unter Tränen.
Lehrerjob
Geholfen, die Zeit durchzustehen, habe Becker ein Beruf, den er innerhalb der Gefängnismauern ausüben durfte: Mathematik- und Englischlehrer. „Du wirst in der Zelle wahnsinnig! Durch den Job hat sich mein Leben etwas normalisiert.“ Auch wenn er die Tatsache, dass er Engländern Englisch beibringen musste, etwas skurril fand.
Keine Ärzte im Gefängnis
Gleich einem Weihnachtswunder kam Becker nun vor einigen Tagen dann aufgrund des Personalmangels in Englands Gefängnissen sowie den vielen Insassen im Land überraschend frei. Der erste Ort, den Becker nach seiner Entlassung besuchte? Die Doktor-Praxis. „Körperlich ging es mir nicht gut. Die Ärzte mussten mich erst einmal wieder hinbiegen.“ Im Gefängnis habe es kein medizinisches Personal gegeben, so der Deutsche. „Wenn man Schmerzen hat, dann muss man diese einfach ertragen.“ Vor allem seine Freundin Lilian de Carvalho Monteiro habe ihm die gesamte Zeit über Kraft gespendet. „Sie sagte zu mir ‚Boris, wir sind ein Team‘.“ Ihre Besuche seien das „Highlight des Monats“ gewesen. Die Kehrseite der Medaille: „Nach dem Besuch wollte ich mit ihr nach Hause oder zum Italiener gehen. Das Gefühl, wieder in den Alltag zurückzukehren, war brutal.“ Er habe Lilian erklärt, sie solle nicht auf ihn warten, die Risikoanalystin wich jedoch nicht von Beckers Seite. Seinen jüngsten Kindern hingegen wollte er die Besuche in der Haftanstalt nicht zumuten.
Becker und das Geld
Letzten Endes haben Schulden Becker ins Gefängnis gebracht, dabei habe ihn Geld nie interessiert, wie er erklärt. „Geld hatte nie einen Wert für mich. Ich habe sogar vergessen, nach Turnieren das Preisgeld abzuholen. Geld war nie der Grund, das zu tun, was ich geliebt habe.“ Ihn habe immer nur der Erfolg vorangetrieben, stellte der ehemalige Tennisspieler, -Trainer und -Experte klar. „Geld war mir nie wichtig - bis ich keines mehr hatte.“ Als Ex-Sportler wollte er nach seiner aktiven Karriere genau so weiterleben wie zuvor, während das Gehalt jedoch stetig weniger wurde. „Du kommst irgendwann an den Rande deines Ersparten.“ Hinzu kamen Scheidungen und Unterhaltszahlungen, bis Becker pleite war.
Geld war mir nie wichtig - bis ich keines mehr hatte.
Boris Becker
Falsche Freunde
Wie es überhaupt so weit kommen konnte, fasst Becker wie folgt zusammen: „Ich habe über Jahre hinweg Fehler gemacht, falsche Freunde gehabt, den falschen Leuten zugehört, wurde faul, bequem.“ Er glaube, nun eine zweite Chance bekommen zu haben. „Nun liegt es an mir, diesen Weg weiterzugehen und mir selbst treu zu bleiben. Ich glaube, das Gefängnis war gut für mich.“
Zweite Chance
Wo es ihn nun hinzieht, weiß Becker noch nicht. In Deutschland sehe er jedoch keine Zukunft, da er sein Privatleben nicht gefährden möchte. Die Frage, mit wem er seinen Weg in Zukunft gehen will, kann er jedoch beantworten: mit „der Liebe seines Lebens“ Lilian und umringt von seinen Kindern. „Hoffentlich kommen noch ein paar dazu“, so Becker.
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