Aus Spaß wird Ernst

Model S Plaid: Am Steuer des 1020-PS-Hyperstromers

Motor
21.12.2022 05:00

Da muss man auch erstmal mitkommen. Ich habe eine Art Steuerknüppel in der Hand, ein halbes Lenkrad, sitze aber nicht in einem Flugzeug, sondern in einem straßenzugelassenen Auto. Das Model S Plaid von Tesla kann fast so etwas wie fliegen, es mixt mit drei Elektromotoren eine Leistung von 1020 PS zusammen. Fühlt sich gut an. Und ungewöhnlich ist nicht nur das Auto.

(Bild: kmm)

Alte Technik. Ausgerechnet. Tesla feiert Österreich-Premiere mit der Überdrüber-Elektro-Limousine, die zum Modernsten gehört, was der Markt zu bieten hat, und dann machen sie das in einer Location namens „Alte Technik“. Aber es passt. Alles, was Elon Musk macht, muss irgendwie lustig sein. Dabei ist das Fahrzeug so ziemlich die ernsthafteste Elektro-Sportmaschine diesseits von Rimac Nevera & Co. Mit 1020 PS und einem Höchsttempo von 322 km/h. Digitales Furzkissen inklusive.

(Bild: Stephan Schätzl)

Nein, das Flugzeug-Lenkrad heißt nicht Joke, sondern Yoke, genauso wie ich ja nicht in einem Witz, sondern in einem Sitz Platz genommen habe. Aber es würde mich nicht wundern, wenn das der Gedanke des Tesla-Bosses gewesen wäre.

Das Yoke steht völlig allein vor mir, kein Lenkstockhebel ragt seitlich heraus. Der Blinker wird über zwei Touchflächen an der linken Speiche bedient, der Daumen bekommt haptisches Feedback. Auch eine Fernlichtfläche gibt es hier, und ein Einstellrädchen. Ähnliches rechts, allerdings aktivieren die Touchtasten hier die Hupe, das Scheibenwischerspritzerl und die Sprachbedienung. „Hey Tesla“ kann man sich sparen, das Auto kennt das nicht. Licht und Scheibenwischer schalten sich bei Bedarf automatisch ein. Übrigens auch der Blinker: Gibt man ein Navi-Ziel ein, blinkt das Auto angeblich zuverlässig an allen Einmündungen, Kreuzungen und in Kreisverkehren, solange man der Route folgt.

Jetzt könnte es losgehen
Das Zentraldisplay bewegt sich aus seiner flachen Position heraus und neigt sich mir zu. Jetzt muss ich nur noch links am Rand mit dem Finger nach oben streichen und mit dem Fuß aufs Pedal steigen. Dann wäre ich in nicht viel mehr zwei Sekunden auf Tempo 100. Jedenfalls wenn ich nicht in einer ehemaligen Brauereihalle in Ottakring wäre. Ausspielen darf ich dieses Karo-As erst im neuen Jahr.

Aber es gibt auch so inzwischen genug zu erkunden. Etwa den Hintergrund des Modellnamens. Plaid ist nicht nur eine Bezeichnung für karierten Stoff, sondern auch für den „Karo-Tunnel“, in den man bei „Ludicrous Speed“ im Weltraum fliegt, jedenfalls im Film Spaceballs. Am Heck des Wagens prangt eine exklusive Plakette, die dieses Muster darstellt.

(Bild: Stephan Schätzl)

Durch und durch neu
Äußerlich ist nicht nur die Plakette neu, auch wenn die ganze Optik sehr nah dran ist am bisherigen Model S. Spur und Karosserie wurden breiter, was unter anderem für deutlich bessere Straßenlage in Kurven sorgen soll, die Front hat neue Lufteinlässe bzw. Air Curtains und ermöglicht zusammen mit einem komplett verkleideten Unterboden den sensationellen cW-Wert von 0,208.

Tesla spricht von einer Modellüberarbeitung, wo andere Hersteller, ohne rot zu werden, von einem neuen Modell sprechen würden. Es ist so ziemlich alles an dem Auto neu, abgesehen vom Radstand, der bei 2,96 Meter bleibt. In der Länge ist das Model S um fünf Zentimeter auf 5,02 Meter gewachsen, in der Breite um gut zwei Zentimeter auf 1,99 Meter. Dabei ist das Gewicht um 55 kg geschrumpft, sagt ein Sprecher und gibt 2162 kg EU-Gewicht an.

Lächerlich starker Antrieb
Drei Permanentmagnetmotoren mit carbonummantelten Rotoren treiben das Model S Plaid an, Energie bekommen sie aus der Batterie im Boden, die brutto 100 kWh speichern kann. Es gab schon bisher starke Teslas, doch die konnten wegen Problemen beim Thermomanagement ihre Power nicht lang abrufen. Diese Zeiten sollen vorbei sein, Tesla verspricht Standhaftigkeit. „Die aktualisierte Batteriearchitektur aller Model-S-Versionen ermöglicht Runde für Runde auf der Rennstrecke — ohne Leistungseinbußen“, versprechen die Amis. Lässt man es ruhiger angehen, soll eine Reichweite von 600 Kilometer nach WLTP möglich sein (Verbrauch: 18,7 kWh/100 km). Realistisch sind 500 Kilometer, präzisiert ein Mitarbeiter. Was auch nicht schlecht wäre. Geladen wird am Supercharger mit 250 kW, an normalen Schnellladern mit bis zu 200 kW oder mit Wechselstrom mit bis zu 16,5 kW.

Volles Tempo nicht ab Werk
Auch die Bremsen sollen lang mitspielen. Die Scheiben werden im Haus produziert, die Sättel vom Spezialisten Brembo zugeliefert. Ab Werk läuft das Model S Plaid 300 km/h schnell. Für die vollen 322 km/h braucht es ein Hardware-Update in Form von Keramikbremsen. Die sind allerdings in Europa noch nicht verfügbar. In den USA kosten sie 20.000 Dollar und werden erst nach Auslieferung nachgerüstet. Also: nagelneue Serien-Bremsanlage raus, nigelnagelneue Keramikanlage rein. Was mit den ausgetauschten Teilen passiert? Das war so genau nicht herauszufinden.

Innenraum edel wie nie
Auch im Interieur hat sich viel getan. Der jetzt horizontale Touchscreen misst 17 Zoll in der Diagonale und ist zwar aufgesetzt, aber schön in das Armaturenbrett integriert. Genial ist, dass er sich auf Touchkommando oder auch automatisch dem Fahrer (oder bei Bedarf, etwa bei Ladestopps, auch der Beifahrerseite) zuwendet. Das verstärkt das Cockpit-Gefühl und erleichtert die Bedienung ungemein. Während der Ellbogen auf der langen, belederten Mittelarmlehne ruht, kann die Hand am Bildschirm tatschen. Man darf gespannt sein, wie sich das während der Fahrt bewährt.

Echtes Sichtcarbon sorgt serienmäßig im Plaid für einen sportlichen Touch, selten wirkte Carbon so unaufdringlich, nie war Tesla so hochwertig. Auch der serienmäßige Sound ist outstanding: 22 Lautsprecher werden mit 960 Watt RMS bespielt, aktives Noice Cancelling inklusive.

Platz war schon vorher viel, auf der Rückbank (mit Zentraldisplay, das künftig auch Spiele ermöglichen soll), im Kofferraum (Tesla spricht von 709 bis 1738 Liter), in der Mittelkonsole und vor allem auch dort, wo die Konkurrenz schwächelt: im Frunk, der 89 Liter fasst. Der ist allerdings deutlich geschrumpft, weil nun bei allen Teslas die Wärmepumpe serienmäßig an Bord ist. Neuerdings gibt es für das Model S sogar eine Anhängerkupplung, gezogen werden dürfen 1,6 Tonnen.

(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)

Model X Plaid kann das auch fast alles
Auch das Flügeltür-SUV Model X bekommt die ganzen Updates und den 1020-PS-Motor. Allerdings nicht das Performance-Paket. Der 2455-kg-Brummer schafft mit einem cW-Wert von 0,24 Tempo 262. Mit 9,9 Sekunden ist das X Plaid das einzige Serien-SUV, das die Viertelmeile in unter zehn Sekunden bewältigt. WLTP-Reichweite 543 Kilometer (Verbrauch: 20,8 kWh/100 km), 0 bis 100 km/h in 2,6 Sekunden (Model S: 2,1 Sekunden) mit abgezogener Rollout-Toleranz.

Die Anhängelast beträgt hier 2300 kg.

Nach rund zwei Jahren Abstinenz erfolgt die Markteinführung von S und X im Dezember 2022. Die Preise in Österreich: Das Model S Plaid kostet 138.990 Euro, das Model X Plaid 141.990 Euro. Die ersten Fahrzeuge werden in diesen Tagen ausgeliefert.

Übrigens: Die Models S und X mit zwei Motoren werden später eingeführt. Auch sie bekommen serienmäßig das Yoke.

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(Bild: kmm)



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