Die Verstaatlichung der Asylwerber-Betreuung wirft für den Verfassungsgerichtshof (VfGH) Fragen auf. Er hat beschlossen, Bestimmungen im Gesetz für die Bundesbetreuungsagentur (BBU-G) sowie im Verfahrensgesetz des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA-VG) auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Im Fokus steht die Nähe der BBU vor allem zum Innenministerium und die Unabhängigkeit der Beratung bzw. Betreuung.
In einer Aussendung am Freitag wurde betont, dass laut BFA-VG Asylwerbern für Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) von Amts wegen kostenlos ein Rechtsberater zur Seite zu stellen ist. Dessen Aufgabe sei es, den Betroffenen bei der Einbringung einer Beschwerde an das BVwG zu unterstützen. Auf Ersuchen des zu Beratenden habe der Berater auch im Verfahren zu vertreten.
BBU zu 100% im Eigentum des Bundes
Seit Juni 2019 ist ausschließlich die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU), die zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes steht, damit betraut, diese Rechtsberatung durchzuführen. Der VfGH verweist darauf, das die Geschäftsführung vom Innenministerium, die Bereichsleitung Rechtsberatung vom Justizministerium bestellt wird. Zuvor konnten auch Vereine derartige Beratungen durchführen. Die Neuorganisation wurde noch unter der ÖVP-FPÖ-Koalition in die Wege geleitet.
Mehrere Beschwerden von Asylwerbern
Der VfGH habe aus Anlass mehrerer Beschwerden von Asylwerbern gegen Erkenntnisse des BVwG Bedenken, ob die Bestimmungen über die Durchführung der Rechtsberatung und -vertretung durch die BBU den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechen, hieß es. Die Beschwerden in den Anlassverfahren wurden von Personen eingebracht, die im Verfahren von der BBU vertreten wurden. In einem dieser Fälle leitete die BBU dem von ihr vertretenen Asylwerber eine bereits zugestellte Entscheidung des BVwG nicht weiter, weshalb dieser eine Beschwerdefrist versäumte, wie der VfGH in der Mitteilung ausführte.
„Maßgeblicher Einfluss“ vor allem des Innenministeriums im Fokus
Bedenken werden unter anderem im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip und das Grundrecht auf „effektiven gerichtlichen Rechtsschutz“ geäußert. Rechtsberater seien in Bezug auf ihre Aufgabe zwar unabhängig, haben diese weisungsfrei wahrzunehmen und sind in Wahrnehmung ihrer Aufgaben zur Verschwiegenheit verpflichtet. Allerdings: „Der VfGH geht vorläufig davon aus, dass die vorliegende Konstruktion auf Grund des maßgeblichen Einflusses, den der Bundesminister für Inneres hat, nicht das geforderte Mindestmaß an faktischer Effektivität für Rechtsschutzsuchende aufweist.“
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