Ehepaar Purtscher:

„Heuer feiern wir erstmals mit unserer Urenkelin“

Vorarlberg
25.12.2022 11:25

Für Alt-Landeshauptmann Martin Purtscher und seine Frau Gretl ist und war Weihnachten immer ein Fest der Familie. Selbst zu seiner Zeit als Spitzenpolitiker war das Weihnachtsfest sakrosankt. Mit dem Fest verbindet das Paar viele schöne Erinnerungen.

Mit seinen 94 Jahren hat der ehemalige Vorarlberger Landeshauptmann Martin Purtscher schon viele Weihnachten erlebt. Gerne erinnert er sich aber an das heilige Fest in seiner Kindheit. Purtscher wuchs in einer Kleinbauernfamilie als das zweite von sieben Kindern in Thüringen  auf. Das Geld war knapp, deshalb gab es für die Kinder ausschließlich Selbstgemachtes am Heiligen Abend. „Wir Buben haben immer gestrickte Socken und Strümpfe bekommen, die Mädchen von der Mutter genähte Kleider“, erzählt Purtscher. Die Kindheit war karg, aber dennoch schön, so empfindet es der 1928 Geborene. „Mit sechs Geschwistern war immer etwas los“, sagt er lächelnd. „Das Wichtigste zu Weihnachten war eigentlich das Familienfest und natürlich der Christbaum und das Festessen. Für uns Kinder war das immer ein großes Erlebnis“, schwelgt Purtscher in seinen Erinnerungen. Der Baum sei mit sehr bescheidenen Kugeln und Lametta aufgeputzt worden - „Kugeln waren ja teuer, die konnten wir uns nicht leisten“. Das Festessen bestand aus einem Geselchten. Der Vater musste das Fleisch immer zuvor vor den Kindern auf dem Dachboden gut verstecken. „Manchmal haben wir Buben es aber trotzdem gefunden, ein, zwei dünne Scheiben abgeschnitten und heimlich verspeist“, berichtet der frühere Spitzenpolitiker verschmitzt. Ärger gab es deshalb aber nicht: „Der Vater meinte nur: Dann habt ihr eben an Weihnachten weniger!“

Von selbstgestrickten Socken und offenen Knien
Gegessen wurde mindestens zwei Stunden vor der Mette und danach gab es für alle Lindenblütentee und Weihnachtskekse - selbstverständlich auch von der Mutter selbst gebacken. Schokolade kannte Martin Purtscher in seinen ersten Lebensjahren gar nicht. „Ich war mindestens schon zehn, als ich das erste Mal Schokolade gegessen habe“, offenbart der 94-Jährige. Die Tafel hatte ein Onkel mitgebracht, der in der Schweiz als Jagdaufseher arbeitete. „Was war das für uns ein großartiges Fest“, sieht man ihm die Begeisterung noch heute an.

Als Martin Purtscher zum ersten Mal Schokolade gegessen hat, war er mindestens zehn Jahre als. Dass ausgerechnet er später Österreich-Chef von Suchard werden sollte, ist also eine ganz besondere Wendung. (Bild: Mathis Fotografie)
Als Martin Purtscher zum ersten Mal Schokolade gegessen hat, war er mindestens zehn Jahre als. Dass ausgerechnet er später Österreich-Chef von Suchard werden sollte, ist also eine ganz besondere Wendung.

Speziell von ihr spricht Purtscher sehr liebevoll. Sie habe einen Spruch gehabt, den er nie vergessen werde: „Im Winter muass i Söck’ und Strümpf’ stricka und im Summa d’Hut vo da Buaba flicka (Im Winter muss ich Socken und Strümpfe stricken und im Sommer die Haut der Buben flicken).“ Einer der fünf Buben sei nämlich immer verletzt gewesen.

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Wir Buben haben immer selbstgestrickte Socken bekommen, die Mädchen je ein von der Mutter genähtes Kleid.

Martin Purtscher

Die Weihnachtsfeste in den Kriegsjahren 1939 bis 1945 war von der schlechten Versorgungslage geprägt, sonst habe sich zumindest in ihrer Familie nur wenig geändert. „Gehungert habe ich nicht, aber meine Mutter war so wahnsinnig mager in dieser Zeit, wie danach nie wieder“, erzählt Gretl Purtscher. „Ich bin oft zu meiner Tante gegangen, die eine Landwirtschaft hatte. Dort haben wir den Schaum von der frisch gemolkenen Milch abgeschöpft und auf ein Stück Schwarzbrot geschmiert.“

Purtschers Ehefrau Gretl, 1931 geboren, hatte eine finanziell unbeschwertere Kindheit als ihr Mann. Ihr Vater war Färbereileiter in der Textilfabrik in Thüringen. Ihre erste Erinnerung an Weihnachten ist dennoch zwiespältig. „Ich war in etwa fünf Jahre alt, als ich zu Weihnachten eine ganz prachtvolle Puppe bekam. Ich habe sie vom ersten Moment an geliebt“, erzählt sie. Am nächsten Tag hieß es aber, sie solle nur zu Hause und alleine mit ihr spielen, weil es so viele arme Kinder gebe, deren Eltern sich keine Puppe leisten könnten und die beim Anblick des Prachtstücks vielleicht traurig würden. „Das hat mich furchtbar zum Denken gebracht. Das Christkind war mir danach nicht mehr so ganz koscher. Ich fand es so ungerecht. Eigentlich sollten ja gerade arme Kinder vom Christkind etwas Schönes bekommen.“

Martin Purtschers Vater war einige Zeit lang froh über den Anschluss an Hitler-Deutschland. Das lag vor allem an der Kinderbeihilfe, die für die sieben Kinder mehr Geld einbrachte, als die gesamte Landwirtschaft abwarf. „Die Begeisterung verflog aber sehr rasch, spätestens als der Vorarlberger Gauleiter die Klöster schließen ließ und der Krieg begann“, berichtet Martin Purtscher. Mit 16 Jahren musste er bereits in den Krieg ziehen. Weihnachten 1944 verbrachte er an der Front in Italien. „Eine Feier gab es nicht, auch keine Möglichkeit, die Mette zu besuchen. Nur in der Nähe unserer Unterkunft stand ein Christbaum.“

Die wichtigste Tradition: „Filet Wellington“
Weit wärmere Erinnerungen haben die beiden Eheleute natürlich an ihr erstes gemeinsames Weihnachtsfest. „Es war wirklich romantisch. Wir waren zuhause, haben die Kerzen am Baum angezündet, Musik gehört und ich habe versucht, gut zu kochen“, berichtet Gretl Purtscher lachend. Sie sei damals noch keine gute Köchin gewesen. Zehn Tage vor der Hochzeit habe ihr Vater zum zukünftigen Schwiegersohn gesagt: „Mit der Gretl wirst Du verhungern!“ Es sei dann aber doch anders gekommen. Martin Purtscher schwärmt von den Kochkünsten seiner Frau, das traditionelle Weihnachtsessen „Filet Wellington“ - sein Lieblingsgericht - koche sie am allerbesten. Mittlerweile sind die Töchter für Vorspeise und Dessert verantwortlich, das Hauptgericht bereitet aber nach wie vor die Hausherrin zu. „Mein Mann hat es mir einfach gemacht, meine Kochkünste zu verfeinern. Er hat mich auch gelobt, wenn es einmal nicht so gelungen ist“, blickt sie liebevoll in seine Richtung.

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Unser erstes gemeinsames Fest war romantisch. Wir haben die Kerzen angezündet und ich habe versucht, gut zu kochen.

Gretl Purtscher

Eine seiner liebsten Weihnachtserinnerungen verbindet Martin Purtscher mit dem ersten Fest im neuen Haus, 1977 war das. „In unserer Eingangshalle haben wir viel Platz. Deshalb haben wir ganz bewusst einen drei Meter hohen Baum aufgestellt“, schildert er. Schmücken konnte man ihn auf der einen Seite über die Treppe in den ersten Stock, auf der anderen musste eine Leiter aufgestellt werden. „Das war eine richtige Illumination, unsere drei Töchter waren jedenfalls hellauf begeistert.“

Nicht ganz so einfach sei es hingegen gewesen, den Christbaum so zu schmücken, dass die Kinder nichts davon mitbekamen. „Es war uns wirklich wichtig, das Geheimnis so lange wie möglich zu wahren“, verrät Gretl Purtscher. Das Geheimnis, das Mystische und Zauberhafte ist es nämlich auch, was die beiden Eheleute mit dem Advent und der Weihnachtszeit so gerne verbinden. „Es lag schon lange vor Weihnachten immer so eine Spannung in der Luft, eine geheimnisvolle Erwartung, was Advent ja bedeutet“, blickt die 91-Jährige zurück. „Ich fürchte allerdings, das ist ein wenig verlorengegangen. Weihnachten ist ein bisschen beliebig geworden.“ Das stimme sie manchmal traurig. Sie selbst habe mit sechs Jahren schon gewusst, dass es kein Christkind gibt. „Ich habe nämlich immer alle Geschenke gefunden“, gibt sie augenzwinkernd zu. Weil es damals noch kein Tixo gab, konnte man die Päckchen auch ganz einfach aus- und wieder verpacken, ohne dass jemand etwas merkte. „Meiner Mutter habe ich sicherlich bis ich acht war nicht gesagt, dass ich es weiß. Sie hatte - glaube ich - eine noch größere Freude an Weihnachten wie ich. Das konnte ich ihr nicht vermiesen.“

Gretl Purtscher wird auch heuer wieder zu Weihnachten ihr legendäres „Filet Wellington“ auftischen. (Bild: Mathis Fotografie)
Gretl Purtscher wird auch heuer wieder zu Weihnachten ihr legendäres „Filet Wellington“ auftischen.

Aber zurück zur Weihnachtslogistik in späteren Jahren. Damit Gretl Purtscher in Ruhe den Christbaum aufputzen und die Geschenke darunter legen konnte, mussten die Kinder in jungen Jahren am Nachmittag schlafen. Später wurde Martin Purtscher mit den drei Mädchen „auf den Weg geschickt“. Dabei verfolgte das Quartett eine ganz besondere Mission: Die vier hatten nämlich Geschenke dabei, die sie heimlich vor die Türen von drei Familien legten, denen es finanziell nicht so gut ging: „Die Mädchen haben die Päckle an die Türen gehängt und sind rasch davon gesprungen“, berichtet Purtscher. Noch heute würden die Töchter davon reden. „Sie hatten so eine Freude dabei!“ In der Zwischenzeit hatte Gretl Purtscher ausreichend Zeit, in Ruhe das Weihnachtsfest vorzubereiten. Die Bescherung selbst kündigte im Hause Purtscher immer das Läuten eines Glöckchens an. „Das war lustig. Mein Mann läutete und sprang schnell bei der nächsten Tür wieder hinaus, damit die Mädchen nichts merkten.“

Martin und Gretl Purtscher lieben das Mystische an Weihnachten. Manchmal stimmt es sie traurig, dass das Fest so beliebig zu werden scheint. (Bild: Mathis Fotografie)
Martin und Gretl Purtscher lieben das Mystische an Weihnachten. Manchmal stimmt es sie traurig, dass das Fest so beliebig zu werden scheint.

Wie einst in der Kindheit ist Weihnachten bei den Purtschers noch immer ein Fest der Familie. Gefeiert wird seit vielen Jahren in Stuben am Arlberg, wo die Purtschers ein Haus mit vier Appartements besitzen. Eines für jede der drei Töchter und eines für die Eltern. „Wir sind meist zwischen zwölf und 14 Personen“, erzählt Gretl Purtscher. Gegessen wird am Heiligen Abend bei Martin und Gretl Purtscher. „Dafür müssen wir immer ein bisschen ummöblieren. Es sieht dann zwar nicht mehr so schön aus, aber wir sind zusammen.“ Die Bescherung an sich ist in der Regel eine  langwierige Angelegenheit. „Man muss wohl eher von Bescherungsakten sprechen“, kann sich Martin Purtscher ein Grinsen nicht verkneifen:  „Sie ziehen sich oft über Tage, bei jeder der Töchter wird gefeiert.“ Auch während seiner Zeit als Topmanager und als Landeshauptmann war Weihnachten für Martin Purtscher „sakrosankt“: „Das war zwar nicht immer leicht, aber irgendwie ist es immer gelungen.“

Das diesjährige Weihnachtsfest ist für die Eheleute ein ganz besonderes. Vor drei Monaten wurde die erste Urenkelin geboren. Sie wird diesmal in Stuben mit dabei sein. „Wir haben schon gedacht, das erleben wir nicht mehr. Aber jetzt ist es doch Realität geworden“, sagt Martin Purtscher sichtlich glücklich.

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