„Vom Austrofaschisten zum Demokraten“, lautet eine Kurzbeschreibung des politischen Werdegangs von Heinrich Gleißner, der von März 1934 bis bis März 1938 und Oktober 1945 bis Mai 1971 Landeshauptmann von Oberösterreich war. In der NS-Zeit gehörte er zu den politisch verfolgten Persönlichkeiten und war sogar zweimal in KZ-Haft. Andererseits könnte er NSDAP-Mitglied gewesen sein, ob aus eigenem Antrieb oder quasi unfreiwillig ist offen. Die Linzer Straßennamenkommission hat sich mit Gleißners Werdegang kritisch auseinandergesetzt.
Die ÖVP-Zentrale in Linz heißt Heinrich-Gleissner-Haus und seit 1992 gibt es eine Heinrich-Gleißner-Promenade. Deshalb setzt sich die Linzer Straßennamenkommission intensiv mit Gleißners politischer Vita auseinander. Die Kommission stuft Gleißner als „Repräsentanten des undemokratischen Regimes 1933 bis 1938“ und somit (wie 20 andere) als belastete Person der Kategorie 2 ein. Fünf Kategorien gibt es, Kategorie 1 ist die mit den problematischsten Exponenten, die nun zu vier Umbenennungen in Linz führt.
Vor dem 11. März 1938 blieb Heinrich Gleißner, bei aller zwischenmenschlichen Verbindlichkeit, ein prononcierter Vertreter des ständestaatlich-austrofaschistischen Regimes und überzeugter Verfechter des antidemokratisch-autoritären Kurses von Dollfuß und später Schuschnigg, wenn er sich auch in den Tagen des Februaraufstandes 1934 im Hintergrund hielt.
Bericht der Linzer Straßennamenkommission, Teil 1, S. 805
„Ausgleichender und tatkräftiger Demokrat“
Die ÖVP Oberösterreich sieht trotzdem keinen Grund, sich nun von Gleißner zu distanzieren: „Sein Lebensweg war gekennzeichnet von gesellschaftlichen und politischen Umbrüchen. Er war auch Opfer des Nationalsozialismus und kam mehrmals in ein Konzentrationslager. Wenn man sein weiteres Schaffen nach 1945 verfolgt, so trifft man hier einen ausgleichenden und tatkräftigen Politiker und Demokraten. Er war eine jener Persönlichkeiten dieser Zeit, die tatsächlich und glaubhaft Lehren auch aus seiner persönlichen Vergangenheit gezogen haben“, hebt OÖVP-Landesgeschäftsführer Florian Hiegelsberger hervor.
Dr. Gleißner stand wie kein anderer für Zusammenhalt und Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg. Vor allem die Achse mit SPÖ-Bürgermeister Ernst Koref ist besonders zu erwähnen. Diese Haltung war ein Grundstein für die positive wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in Oberösterreich
OÖVP-Landesgeschäftsführer Florian Hiegelsberger
Tausende Menschen beim „Landesbegräbnis“
Ich kann mich noch gut an den Tag Ende Jänner 1984 erinnern, als Tausende Menschen im Trauerzug für den am 14. Jänner verstorbenen, früheren LH Heinrich Gleißner mitgingen und Tausende Spalier standen. Dieses „Landesbegräbnis“ für einen Politiker war eindrucksvoll - und in dieser Art heute unvorstellbar.
Natürlich war Gleißner in der Nachkriegszeit ein die Lager verbindender Politiker von Format. Dass er Wurzeln im Austrofaschismus hatte, ist nichts Neues. Man sollte es wissen, bei seiner Würdigung mitbedenken - und braucht deswegen keine Parteizentrale oder Promenade umbenennen.
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