Nach Drosten-Aufreger

Österreichs Experten: Pandemie geht, Corona bleibt

Österreich
27.12.2022 13:38

Die Aussage des deutschen Virologen Christian Drosten in einem Interview, dass die Corona-Pandemie nach seiner Ansicht vorbei sei, hat eine Diskussion ausgelöst. Forderung nach Lockerungen der Sicherheitsmaßnahmen wurden laut. Doch das Beratungsgremium Gecko warnte bereits vor Weihnachten, dass man Corona auch beim Übergang in eine Endemie nicht unterschätzen sollte. Selbst dann könnte es „zu massiven Beeinträchtigungen“ kommen, die lokale Maßnahmen nötig machen würden.

„Wir erleben in diesem Winter die erste endemische Welle mit SARS-CoV-2, nach meiner Einschätzung ist damit die Pandemie vorbei“, hatte der Leiter der Virologie an der Berliner Universitätsklinik Charité dem „Tagesspiegel“ gesagt. Die Immunität in der Bevölkerung werde nach diesem Winter so breit und belastbar sein, dass das Virus im Sommer kaum noch durchkommen könne, zitierte ihn die dpa am Montag. Als einzige Einschränkung nannte Drosten einen weiteren Mutationssprung. „Aber auch das erwarte ich im Moment nicht mehr.“

„Sonstige Erkältungskrankheiten“
Die Virologin Dorothee von Laer von der Medizinischen Universität Innsbruck schloss sich der Ansicht von Drosten an, dass die Pandemie vorbei ist. Corona habe sich „ausgeschlichen“ und inzwischen eingereiht in die Reihe an sonstigen Erkältungskrankheiten oder Virusinfektionen wie etwa Grippe, erklärte von Laer gegenüber der APA. Covid-19 werde ebenso wie diese bleiben. Auch die Innsbrucker Virologin führte die mittlerweile vorhandene breite Grundimmunität in der Bevölkerung an, die dazu führe, dass weitaus weniger Menschen erkranken, und wenn sie erkranken, dann nicht mehr so schwer wie in früheren Zeiten.

Mehrere Experten können Drostens Aussage beipflichten
Auch der österreichische Genetiker Ulrich Elling kann der Drosten-Aussage beipflichten, dass nun die erste endemische Welle mit SARS-CoV-2 im Rollen ist. „Die Pandemie in dem Sinne“ sei damit vorbei, Covid-19 aber „gekommen, um zu bleiben“, so Elling.

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Wir erleben in diesem Winter die erste endemische Welle mit SARS-CoV-2, nach meiner Einschätzung ist damit die Pandemie vorbei.

Virologe Christian Drosten

Wenn man „Pandemie“ so definiert, dass ein neuer Erreger auf eine immunologisch unvorbereitete Bevölkerung trifft, dann sei diese Phase der Auseinandersetzung mit dem SARS-CoV-2-Erreger tatsächlich mehr oder weniger abgeschlossen, so der am Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) tätige Forscher im Gespräch mit der APA. Wenn Drosten jetzt von Endemie spricht, treffe das zu, da sich nun eben zum allergrößten Teil Menschen mit Covid-19 infizieren, die dem Erreger schon ausgesetzt waren.

„Endemische Welle“
Nachdem in Österreich die Omikron-Variante seit rund einem Jahr für eine breite Durchseuchung sorgt und vor relativ kurzer Zeit die BA.5-Untervariante eine Welle mit rund zwei Millionen Infizierten und somit kürzlich erst Genesenen verursacht hat, „haben die Leute jetzt eine breite immunologische Basis aufgebaut“, sagte Elling. Damit habe man es aktuell mit einer „endemischen Welle“ zu tun. Am ehesten finde man noch in den höheren Alterskohorten Menschen, die wirklich noch keine Covid-Infektion durchgemacht haben. Dazu komme, dass der Schutz vor Neuansteckung nach Infektion länger anhalte als ursprünglich vermutet.

Allerdings sehe man nun die starken „Nachwehen der Pandemie“, mit vielen RS-Viren- und Influenza-Infekten. Dazu komme eine gewisse „Erosion im Gesundheitssystem“, wo das vielfach durch die Pandemie ausgelaugte und ausgedünnte Personal wieder mit einer sehr hohen Belastung konfrontiert ist und etwa gerade im Kinderbereich Ressourcen fehlen. In vielen Zusammenhängen würden nun strukturelle Probleme durch Einsparungen im Gesundheitsbereich deutlicher greifbar.

Häufigkeit der Ansteckung ist noch ungewiss
Mit SARS-CoV-2 habe man nun ein neues Virus sozusagen im Portfolio der gängigen Krankheitserreger, „das bleiben wird“, betonte Elling. Wie oft sich Menschen damit aber längerfristig im Schnitt tatsächlich anstecken können, lasse sich noch kaum abschätzen.

Ulrich Elling, Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der ÖAW (Bild: APA/Roland Schlager)
Ulrich Elling, Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der ÖAW

Das hängt auch von der weiteren Wandelbarkeit des Erregers ab. Der Forscher ist seit Langem Teil des Teams, das die weiter hurtige Erbgutentwicklung des Virus wissenschaftlich analysiert. Damit es in der aktuellen Situation wieder zu kritischen Überlastungen durch SARS-CoV-2 kommt, müsste sich eine „komplett verrückte Kombination“ entwickeln. Einen solchen „Gamechanger“, der auch die „Krankheitsschwere“ wieder deutlich erhöht, sieht Elling momentan nicht am Horizont und hält er auch für immer unwahrscheinlicher.

Weiterhin Überblick über Variantenentwicklung schaffen
Die Möglichkeit bleibe aber als „Dark Horse“ trotzdem durchaus weiter erhalten. Dementsprechend plädiert der Genetiker auch dafür, weiter einen wissenschaftlichen Überblick über die Variantenentwicklung zu wahren. Das sei im Vergleich zu vielen anderen Maßnahmen während der Pandemie auch nicht teuer, so der Wissenschaftler.

„Relativ gut antizipierbar“
Epidemiologin Eva Schernhammer, Mitglied der österreichischen Gecko-Kommission, stellte bereits vor fünf Tagen fest, dass wir uns einer endemischen Phase nähern könnten. Derzeit sprächen die vorliegenden Indikatoren dafür, „wenn das Auftreten von SARS-CoV-2-Infektionen relativ gleich bleibt oder vorhersehbar wird, so wie dies etwa bei der Influenza der Fall ist, da ihr wellenförmiges saisonales Auftreten relativ gut antizipierbar ist“.

Laut Elling sei die Pandemie vorbei, Covid-19 jedoch gekommen, um zu bleiben. (Bild: Subbotina Anna - stock.adobe.com)
Laut Elling sei die Pandemie vorbei, Covid-19 jedoch gekommen, um zu bleiben.

Gecko hielt in diesem Zusammenhang aber fest, dass Corona auch bei einem endemischen Zustand Probleme bereiten werde, alleine dadurch, dass es weltweit eine höhere Krankheitslast geben werde. Dazu werde Long Covid das allgemeine Wohlbefinden und die Fähigkeit, den Lebensunterhalt zu verdienen, beeinträchtigen und die Gesundheitskosten in die Höhe treiben.

Entwicklung muss nicht unbedingt positiv sein
Wenn eine Erkrankung endemisch werde, bedeute das jedoch nicht unbedingt auch eine positive Entwicklung, warnte Schernhammer: „So ist beispielsweise Malaria in gewissen Breitengraden endemisch. Das macht Malaria jedoch nicht ungefährlicher.“

Als Endemie bezeichnet man eine einheimisch gewordene Infektionskrankheit, die ständig innerhalb eines begrenzten Gebiets vorkommt - wie zum Beispiel Cholera, Pest und Typhus, in Mitteleuropa Lungentuberkulose, Masern oder Scharlach. Eine Epidemie ist das stark gehäufte, örtlich und zeitlich begrenzte Vorkommen einer Erkrankung. Dazu gehören viele Tropenkrankheiten wie Denguefieber, aber auch Cholera, Grippe, Typhus, Pest und Kinderlähmung.

Ab wann von einer Pandemie gesprochen wird
Eine Epidemie, die sich über Länder und Kontinente hinweg ausbreitet, heißt Pandemie. Dazu zählen Aids, aber auch die Pest im Mittelalter oder die Grippe, die im 20. Jahrhundert zu drei Pandemien führte. An der „Spanischen Grippe“ von 1918 starben mit 25 bis 50 Millionen mehr Menschen als im Ersten Weltkrieg. Es folgten 1957 die „Asiatische Grippe“ mit rund einer Million Toten und die „Hongkong-Grippe“ 1968 mit etwa 700.000 Toten weltweit. Auch die Ausbreitung von Corona wurde 2020 zur Pandemie.

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