Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb zieht Bilanz über ein Jahr voller Extreme wie Dürren, Brände und Fluten. 2023 müsse gehandelt werden, sagen Experten.
Für viele Menschen ist die Klimakrise 2022 zur Klimakatastrophe geworden. Zu den schlimmsten Ereignissen zählt die Hitzewelle, die sich in Indien und Pakistan im April über Wochen hielt und Spitzentemperaturen über 50 °C brachte. Sehr heiß war es auch in Kanada, in Argentinien und Europa. Die Spitzentemperaturen über 40 °C in einigen Städten Großbritanniens entsprechen 1500-jährigen Ereignissen. Das Jahr 2022 wird zu den sechs wärmsten Jahren zählen – alle seit 2015 aufgetreten.
Mit der Hitze kamen Waldbrände – in Europa fielen bis Mitte August 660.000 Hektar Wald den Flammen zum Opfer – mit entsprechenden CO₂-Emissionen, die den Klimawandel verstärken. Rekordniedrigwasserstände von Po und Rhein führten zu Problemen bei Wasserversorgung, Stromproduktion und Schifffahrt und machten unerwartete Abhängigkeiten sichtbar.
Klimagipfel blieb alles schuldig
Pakistan wurde ein zweites Mal katastrophal heimgesucht: 33 Millionen Menschen waren von Überschwemmungen betroffen, etwa 1600 starben. Kein Wunder, dass die Regierung des Landes sich bei der Weltklimakonferenz in Ägypten (COP27) nachdrücklich für einen Fonds zur Entschädigung von Entwicklungsländern für Klimaschäden einsetzte. Der Fonds kommt, bleibt aber vorläufig undotiert. Bezüglich Emissionsreduktionen bleibt diese COP alles schuldig. Da auch von den nächsten beiden COPs nicht viel zu erwarten ist, müssen andere Strategien entwickelt werden.
Über die Emissionen der Superreichen wird man nicht weiter hinwegsehen können. Energieintensive Weltraumflüge und private U-Boote zum Tiefseetauchen sind nur die Spitze eines unverantwortbaren Lebensstils. Die reichsten 0,54 Prozent der Bevölkerung verursachen etwa 14 Prozent der globalen Emissionen. Der Kohlenstoff-Fußabdruck des reichsten Prozents wird im Jahr 2030 pro Kopf etwa 30-mal höher sein als jener, der mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar ist.
Jahr der Wetter-Extreme auch in Österreich
In Österreich folgte einem trockenen, warmen Frühling ein heißer und sonniger Sommer, wobei kleinräumige Starkniederschläge zu lokalen Überflutungen und Murgängen führten. Am 18. August zog eine Unwetterfront mit starken Sturmböen von Italien kommend über Osttirol, Kärnten und die Steiermark bis nach Niederösterreich und legte Strom- und Verkehrslinien lahm.
Überdurchschnittliche Temperaturen und unterdurchschnittlicher Niederschlag führten zu ungewöhnlich niedrigen Wasserständen und verbreitet zu Problemen mit Trockenheit. Besonders auffällig der deutliche Rückgang der Gletscher, eine Folge geringer Schneelage aus den Vorwintern, mehrerer Saharastaubereignisse und der heißen, trockenen Witterung.
Die österreichische Klimapolitik macht erfreulicherweise Vorwärtsschritte, nimmt diese dann aber leider wieder zurück: Die Ökosoziale Klimasteuer wird eingeführt – zu spät, zu gering – aber dann wieder für Monate ausgesetzt. Das längst überfällige Energieeffizienzgesetz wird präsentiert, aber gleichzeitig der Energieverbrauch der Wirtschaft subventioniert. Das Klimaschutzgesetz lässt weiter auf sich warten.
2022 könnte Jahr der Wende gewesen sein
Die Reaktionen der Politik bleiben langsam. Kein Wunder, dass verzweifelnde junge Menschen nach Wegen suchen wachzurütteln. Statt rechtliche Schritte für den Klimaschutz zu ergreifen, sucht die Politik Lösungen in rechtlichen Schritten gegen die Klimaschützer.
Für die Energiewende viel wirksamer als die Sorge um die Klimazukunft könnte sich die Energiekostenexplosion erweisen, in Europa angeheizt durch den Wirtschaftskrieg mit Russland und die Energienöte Frankreichs, das die technischen Ausfälle seiner Atomkraftwerke kompensieren muss. Trotz fehlgeleiteter Investitionen, wie etwa in LGN-Häfen in Deutschland, und bestenfalls kurzfristig sinnvoller Gasimporte aus bisher geächteten Ländern könnte das Jahr 2022 als eine Wende hinsichtlich der Nutzung fossiler Brennstoffe in die Geschichte eingehen, meint die Internationale Energieagentur.
Hoffnungen geben unter anderem die USA, die ihre Inflationsbekämpfungsmaßnahmen für Klimaschutz nutzen – in Form von Zuschüssen, Steuergutschriften und Darlehen, die unter anderem den Ausbau erneuerbarer Energien und Energieeffizienz in Privathaushalten fördern sollen. Ein großer erster Schritt, der auch die EU in Zugzwang bringt.
Ein Ausblick von Helga Kromp-Kolb
Wenn alles gut läuft, werden zwar 2023 und 2024 deutlich wärmer werden als 2022, in 2024 mit El Niño sogar ein neuer Temperaturrekord erreicht werden, aber Schritte zur Eindämmung des Temperaturanstiegs werden gesetzt sein. International werden Wege gefunden, wie Geld des Nordens dem globalen Süden zur Versorgung mit sauberer Energie verhelfen kann. Bi- und multilaterale Abkommen unterstützen alle Beteiligten in ihren Klimaschutzbemühungen. In Europa profitiert der Klimaschutz von den Anstrengungen, mit dem Aufschwung von klimafreundlichen US-Produkten mitzuhalten, ausgelöst durch das Inflationsbekämpfungsprogramm. In der Ukraine wird aus vielen - auch ökonomischen - Gründen Frieden geschlossen.
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Ein Sinneswandel bei den Bremsern in der österreichischen Klimapolitik ermöglicht ein Klimaschutzgesetz, das den Rahmen schafft, die Einhaltung und Wirksamkeit aller Klimaschutzmaßnahmen zu überprüfen und einzufordern. Die Menschen in Österreich erkennen, dass Klimaschutz ihnen zu mehr Gesundheit, einem längeren und befriedigenderem Leben verhilft, und sie fordern dies ein.
Alles naive Träume? Naiv und Träumer sind jene, die glauben, dass mit „weiter wie bisher“ eine Chance auf eine gute Zukunft besteht. Man muss sich trauen, positive Entwicklungen zu denken, wenn sie eintreten sollen.
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