Was ist gut gegen schlechte Stimmung in Zeiten der Krisen? Es sind die nostalgieverklärten Erfolge der Vergangenheit, die Emotionen wecken und deshalb auch 2023 von den Automobilherstellern gefeiert werden. Gut 400 runde Geburtstage gibt es zu zelebrieren, vom Matchbox-Modell über Volksautos bis zu Spielzeugen für Millionäre.
Nichts lässt sich schöner feiern als die Erfolge von einst. Legendäre Meilensteine vermitteln Faszination, sie müssen nichts mehr beweisen, haben bereits große Geschichte geschrieben. So wundert es nicht, wenn die Automobilhersteller 2023 mehr als zuvor auf die Magie historischer Momente setzen, denn gute Nachrichten sind gefragt in dieser Zeit der Krisen, Kriege und Lieferengpässe.
Rund 400 Geburtstage sollen gewürdigt werden, selbst junge Jubiläen von 20 Jahren werden von Marketingstrategen im Feierrausch zelebriert. Tatsächlich verspricht die Reise in die Vergangenheit 2023 großen wie kleinen Autofans ein buntes Feuerwerk an Highlights: Vor 70 Jahren rollten die ersten Matchbox-Miniaturen aus ihren Streichholzschachtel-ähnlichen Garagen in die Kinderzimmer, weit über drei Milliarden Autos sind es seither, die Buben und Mädchen begeistern. Als erster Millionseller reüssierte die Krönungskutsche von Queen Elizabeth II., entsprechend gespannt sind Kids und Sammler, welche Collector‘s-Edition zur Krönung von König Charles III. aufgelegt werden wird.
Die Träume und Fantasie der Erwachsenen beflügelten dagegen vor 75 Jahren Jaguar XK-Sportwagen, Land Rover und Porsche (356). Henry Ford gründete 1903 sein Unternehmen, das zehn Jahre später durch Fließband-Fertigung die Grundlage für bezahlbare Auto-Mobilität schuf. BMW feiert ein Jahrhundert Motorradbau, E-Auto-Revolutionär Tesla freut sich über 20 Jahre.
Gleich mehrere große Marken feiern dieses Jahr wahrhaft stolze Jubiläen: Mitsubishi wird 150 Jahre alt, legte allerdings erst 1917 das erste japanische Serien-Auto auf. Louis Renault präsentierte am Weihnachtsabend vor 125 Jahren dem zukunftsgläubigen Pariser Publikum die Vorzüge seiner 1,75 PS starken und mit einem revolutionären Direktantrieb ausgestatteten Voiturette: Die vielen spontanen Bestellungen veranlassten Louis und seinen Bruder Marcel sofort zur Gründung der Firma Renault Frères.
Zur gleichen Zeit startete in Deutschland Opel mit dem Bau des ersten Kleinwagens mit Benzinmotor auf Basis einer Konstruktion von Friedrich Lutzmann. Dieser geniale Automobilpionier hatte zuvor schon in Dessau Geschichte geschrieben, denn vor 130 Jahren gründete Lutzmann in der anhaltischen Industriestadt das weltweit erste Motorwagen-Taxi-Unternehmen. Viersitzige Daimler Victoria wiesen so den Weg ins Taxigeschäft des 21. Jahrhunderts.
Die meisten Autos fuhren damals übrigens noch mit Dampf - weltgrößter Autohersteller war 1898 Steam-Experte Stanley - aber auch Stromer verbreiteten sich besonders in Großstädten vorläufig schneller als Benziner. Nicht so in Großbritannien, dort sorgte 1898 die Daimler Motor Company für anderes Aufsehen: Gegründet mit Patenten der gleichnamigen deutschen Marke avancierte der bis heute traditionsreichste Hersteller im Inselreich zum ersten königlichen Hoflieferanten für Automobile - und die Begeisterung des Prince of Wales, des späteren Edward VII., übertrug sich auf die europäischen Herrscherhäuser und Präsidentenpaläste.
Ganz und gar bürgerlicher Herkunft ist dagegen Enzo Ferrari, der vor 125 Jahren geboren wurde und dessen Mythos als Rennfahrer und Sportwagenhersteller bis heute kaum zu übertreffen ist. Dennoch versuchten Ferruccio Lamborghini mit V12-Boliden sowie Renzo Rivolta (Iso-Rivolta GT), aber auch McLaren sowie Aston Martin (mit dem DB 5 als stilvolles Geschoss für James Bond) vor 60 Jahren, die Supersportler aus Maranello mit neuen Vmax-Modellen zu entzaubern.
Damit nicht genug an sportlichen Ikonen aus dem temporeichen Jahr 1963: Maserati präsentierte den ersten Quattroporte als schnellsten Viertürer der Welt, Lancia lancierte die Fulvia, Honda ließ eine wilde Rennmaus namens S360 Roadster los und Volvo den 1800 S, das liebste Auto von Roger Moore seit der TV-Kultserie „The Saint“ und des schwedischen Königs Carl XVI. Gustaf, der mit dem Kult-Coupé flotten Fahrspaß erlebte.
Der bayerische Autobauer Glas machte 1963 Furore mit dem Frua-Coupé 1300 GT, das später von BMW adoptiert wurde (1600 GT), und Mercedes vertraute bei der Formenfindung für den 230 SL (W 113) auf die Designkünste des Franzosen Paul Bracq. Im Volksmund wurde der Roadster bald nur noch Pagode genannt, weil sein Hardtop an die gleichnamigen asiatischen Tempel erinnerte, aber Bracq konnte auch kantigen Pomp: Sein ebenfalls 1963 lancierter „Großer Mercedes“ 600 chauffierte fast drei Jahrzehnte lang die Reichen und Mächtigen dieser Welt, dazu Musik-Könige von Udo Jürgens bis zu den Beatles.
„Design ist keine Mode“
Aber auch ein Auto ewiger Jugend begann seine Karriere vor 60 Jahren: Der Porsche911 sollte nie spektakuläres Showcar oder Spielzeug für Reiche sein, sondern ein alltagstauglicher Streetracer mit Langzeitqualitäten. Das galt bereits für den 1963 vorgestellten Porsche 901, den Prototypen der Sportwagen-Serie. Die ebenso schlichte wie schnelle Linie des zeitlos schönen Sportcoupés zeichnete Ferdinand Alexander Porsche, der dem Credo folgte: „Ein gutes Produkt muss dezent sein. Design ist keine Mode.“
Zurück zu bodenständigen, bezahlbaren Modellen: Volkswagen feiert 50 Jahre Passat und 40 Jahre Golf II. Hyundai motorisierte vor 55 Jahren Korea und Seat vor 70 Jahren Spanien. Zur gleichen Zeit verankerten Volvo (Duett) und Opel (Rekord Caravan) den Kombi als europäisches Familienauto.
Pontonformen waren 1953 plötzlich angesagt, und Mercedes verbreitete dieses Design-Prinzip durch den Typ 180 (W 120), der zugleich Diesel-Power popularisierte - und in der Mercedes C-Klasse (W 202) von 1993 eine finale Nachfolge-Reihe fand, die bis heute Verkaufserfolge feiert.
Der Wankelmotor
Apropos alternative Verbrenner: Ab 1963 drehte sich die Motorenwelt im Kreis, denn kompakte Wankelmotoren galten als Versprechen auf die Zukunft. Der NSU Wankel-Spider machte mit einem Ein-Scheiben-Kreiskolben-Triebwerk den Anfang, der Mazda Cosmo Sport 110 S folgte mit Zwei-Scheiben-Kreisläufer und sogar Citroen sprang 1973 mit dem GS Birotor auf diesen Zug der Zeit auf. Ein teurer Irrweg? Nein, sagt zumindest Mazda, und zeigt im Jänner 2023 den elektrischen MX-30 mit Wankel als Reichweitenverlängerer.
Früher war alles besser, meinen viele Menschen. Die Verkehrssicherheit jedenfalls nicht, wie die einst um ein Vielfaches höheren Zahlen über Unfallopfer sagen. Kein Wunder, gab es doch schon 1903 Patente für Sicherheitsgurte, deren Verbreitung erfolgte aber erst fast 60 Jahre später. Die erste Fußgängerampel wurde 1933 in Kopenhagen installiert, Berlin folgte vier Jahre später, Wien erst 1951. (SPX)
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