„Er war viel netter als sonst“, beschreibt die Frau ihren Sohn in den letzten Monaten vor dem Terroranschlag. Dass Kujtim F. in der Wiener Innenstadt vier Menschen erschießen und Dutzende verletzen könnte, hätte sie nie geahnt. Die Mutter ist aber davon überzeugt, dass er Hilfe hatte!
Spannung im großen Schwurgerichtssaal im Wiener Landesgericht: Bis zum letzten Moment war nicht klar, ob die Mutter jenes Mannes erscheinen wird, der am 2. November 2020 in der Wiener Innenstadt vier Menschen tötete. Pünktlich und gefasst betritt sie dann den Gerichtssaal. Ihr Mann, der Vater des Attentäters, kam nicht - er sei auf Urlaub.
„Intensive Freundschaft“ mit zwei Angeklagten
„Danke, dass Sie überhaupt hergekommen sind. Das ist sicher nicht einfach, hier zu sitzen“, ergreift der Richter das Wort. Wie auch die Zeugen zuvor, wird die Mutter zuerst nach den sechs Angeklagten gefragt. Von denen sie auch zwei sofort erkennt: Der Zweit- und Drittangeklagte seien enge Freunde ihres Sohnes Kujtim F. gewesen. Sie würden sich aus der Nachbarschaft kennen. Auch nach der ersten Haft des Wiener Attentäters seien der 22- und 24-Jährige eng mit ihm befreundet gewesen - was die zwei Angeklagten in ihrer Aussage aber bestritten ...
Die letzten Monate war er viel netter als sonst, viel zuvorkommender.
Die Mutter des Attentäters über ihren Sohn vor dem Anschlag.
Sonst verbrachte sie zuletzt nicht viel Zeit mit ihrem Sohn. Zwar wohnte er hauptsächlich zu Hause und nicht in seiner eigenen Wohnung in Wien, schlief jedoch, wenn die Mutter in der Früh außer Haus ging und war nicht zu Hause, als sie von der Arbeit kam. Dennoch: „Die letzten Monate war er viel netter als sonst, viel zuvorkommender“, erinnert sich die Frau. Von einer Radikalisierung hätte sie nichts mitbekommen. Obwohl man bei religiösen Themen gestritten, sie ganz gemieden hatte, wurde das Verhältnis zu ihrem Sohn nach seiner Haftentlassung immer besser. Der Attentäter verbüßte bis Anfang 2020 eine Haftstrafe wegen terroristischer Straftaten - er wollte in den Dschihad ziehen.
Kujtim F. bezeichnete Eltern als Ungläubige
An ein verbessertes Verhältnis glauben die Verteidiger der sechs Angeklagten aber nicht. Vor der Polizei sagte die Mutter aus, ihr Sohn habe die Eltern als Ungläubige bezeichnet und sie dazu gedrängt, ein Kopftuch zu tragen. „Weil wir nicht mehr über diese Themen gesprochen haben, hat sich das Verhältnis gebessert“, sagt die Zeugin. Anwalt Rudolf Mayer kritisiert scharf: „Bei allem Mitleid, dass ich mit ihnen habe, aber Sie wissen gar nichts.“
Im Nachhinein habe ich vieles erfahren, das ich gar nicht wusste. Das war ein Schock!
Mutter von Kujtim F.
Was die Mutter im Zeugenstand aber sicher weiß, ist, dass sie ihren Sohn am Abend des 1. November 2020 das letzte Mal gesehen hatte. Er packte seine Sachen: „Dann hat er gesagt, er geht zum Drittangeklagten übernachten, hat ein Sackerl genommen und ist gegangen.“ Erst über die Medien habe sie von dem Wiener Attentat erfahren und, dass ihr Sohn der Schütze war. Dann bricht die bislang so gefasste Frau im großen Schwurgerichtssaal in Tränen aus. „Im Nachhinein habe ich vieles erfahren, das ich gar nicht wusste. Das war ein Schock“, gibt die Frau zu.
Mutter geht von Mittätern aus
Sie ist außerdem davon überzeugt, dass Kujtim F. nicht alleine gehandelt habe. Ein Geschworener fragt nach: „Glauben Sie, dass Ihr Sohn das alleine getan hat oder tun hat können? Oder war da jemand unterstützend dahinter?“ - „Ich glaube schon, dass da jemand geholfen hat.“ Die Freunde sehe sie als schlechten Einfluss. „Beweisen kann ich es nicht, aber ich glaube fest daran“, sagt die Mutter bestimmt.
Ob die angeklagten Männer an der Planung und Unterstützung des Terroranschlags in Wien beteiligt waren, liegt an den Geschworenen zu entscheiden. Neben dem Vater des Attentäters werden in den nächsten Wochen noch weitere Zeugen befragt. Fortgesetzt wird am 10. Jänner.
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