„Winnetou“, die „Licht ins Dunkel“-Debatte: Auch der ORF beschäftigt sich zunehmend mit Diversität. Die „Krone“ sprach mit Programmdirektorin Stefanie Groiss-Horowitz im Rahmen eines „Schnell ermittelt“-Pressefrühstücks.
„Krone“: Wie kann man sich den Schaffensprozess im ORF, etwa bei Film und Serien vorstellen?
Stefanie Groiss-Horowitz: Wir orientieren uns klar an der Würde des Menschen und begegnen unserem Publikum in seiner Vielfalt mit Respekt. Das gilt natürlich auch für unsere Filmproduktionen. Wir haben einen klaren Kompass, wie man miteinander umgeht, welchen Ton man hat, welche Haltung zueinander. Das darf aber nicht heißen, dass man deswegen nicht auch mal frech oder provokant sein kann oder auch Grenzen überschreitet. Die Frage ist immer mit welcher Absicht. Wir merken aber aktuell sehr stark, dass es spürbare Unterschiede zwischen den Generationen gibt. Ältere ziehen diese Grenzen des „politisch Korrekten“ ganz anders, als jüngere Generationen. Hier sind wir auch gefordert zu vermitteln.
Wie können das Generationen schaffen, die etwa seit 50 Jahren Dinge machen, wie sie sie eben machen?
Nur weil es schwierig ist, heißt das nicht, dass man es nicht trotzdem versuchen muss. Witze zu machen auf Kosten von Minderheiten nur aufgrund von Vorurteilen oder Überheblichkeit, das ist in der Regel vorbei. Und das ist auch gut so.
Erst kürzlich kam Kritik an „Licht ins Dunkel“ auf. Kritik an der Darstellung über Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Würden Sie sagen, bei dieser Darstellung hat sich schon grob etwas geändert?
Ja, es ändert sich sehr viel, und zwar in allen Bereichen. Unsere Aufgabe ist es nicht, zu entscheiden, was kränkend ist und was nicht. Deshalb wird es hier auch eine gemeinsame Weiterentwicklung mit den Behindertenverbänden geben. Dennoch ist es mir wichtig klar zu sagen, dass Hilfsinitiative wie Licht ins Dunkel oder Nachbar in Not wesentliche und wichtige Angebote des ORF sind.
Bei einem „Weber und Breitfuß“-Interview, hat jemand gesagt: „Gewisse Dinge kannst halt nicht mehr so machen wie früher.“
Es hat einen Grund, warum eine Figur wie Frau Knackal heute nicht mehr dargestellt wird. Es gibt eine ständige Veränderung. Die Herausforderung für uns ist es, diese Grenzen immer neu zu setzen, ohne uns dabei kreativ einzuschränken. Dieses bewusste Nachdenken darüber führt schon auch zu Verbesserungen. Es ist trotzdem noch so viel zu tun. Die Kunst ist, nicht den Humor zu verlieren oder das Gefühl zu vermitteln, man darf öffentlich nicht mehr sagen, was man denkt. Das führt zu Spaltung. Wenn Culture Canceling Diskussionen ersetzt, ist das der falsche Weg. Ich bin zum Beispiel nicht der Meinung, dass man „Winnetou“ nicht mehr spielen darf. Man würde es heute so nicht mehr produzieren, aber es ist auf gewisse Weise auch ein zeitgeschichtliches Dokument. Es wurde damals nicht gemacht in der Absicht jemanden zu beleidigen. Wir müssen Dinge immer im Kontext einordnen. Es sollte aber schon auch eine Größe unserer Gesellschaft sein, dass wir Fehler, wenn sie nicht mit Absicht passiert sind, auch verzeihen können. Es gibt aus meiner Sicht kaum mehr ein „richtig und falsch“, wir leben in einer ambivalenten Zeit mit vielen Widersprüchen. Es hat ja einen Grund, warum viele überfordert sind. Wie willst du noch alles richtig machen? Wie willst du noch wissen, was richtig ist?
Orientierung in Zeiten von Social Media, Internet & Co. ist eine große Aufgabe.
Zugewandte, faktenbasierte Orientierung ist eine, wenn nicht die wesentliche Aufgabe des ORF. Und das darf nicht nur in unseren TV-Kanälen eine Selbstverständlichkeit sein. Wir diskutieren aktuell viel, wie wir uns ein Kinder- und Jugendangebot in einer non-linearen Welt vorstellen. Was ist wichtig für junge Menschen, was erwarten ihre Eltern von uns? Es ist auch eine große Verantwortung, wenn uns Eltern ihre Kinder für Momente eines Tages anvertrauen. Auch für die jüngsten Generationen müssen wir im öffentlich-rechtlichen Sinn da sein: „Wenn du dich nicht mehr auskennst, oder nicht weißt, was du glauben sollst, dann gibt es ein verlässliches Angebot, das dir dabei hilft, Dinge einzuordnen und zu verstehen.“
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