„Er war der Erste, der in der Missbrauchsfrage ganz entschieden gehandelt hat“, sagt Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn zum Erbe des verstorbenen Joseph Ratzinger.
„Krone“: Wie haben Sie die Trauerfeier für Benedikt XVI. erlebt?
Schönborn: Mir hat gefallen, dass sie schlicht war und genau dem Stil des emeritierten Papstes entsprochen hat.
Was hat den Menschen Joseph Ratzinger für Sie ausgemacht?
Als Mensch war er mir vor allem Lehrer, ich habe bei ihm viel gelernt und studiert. Er war mir als großer Denker und Theologe ein echter Meister. Meinen eigenen Studenten habe ich immer gesagt: „Haltet euch an die großen Meister!“
Nach der Papstwahl bezeichnete er diese Aufgabe als „Fallbeil“. Wieso, denken Sie, hat er das getan?
Mit 78 Jahren ein solches Amt zu übernehmen, ist ungeheuer schwer. Er hatte gehofft, dass es an ihm vorbeigeht. Schließlich hat er es aber wirklich beherzt wahrgenommen.
Erinnern Sie sich an eine Begegnung oder eine Anekdote?
Es gab viele Begegnungen. Die berührendste war am Tag nach seiner Papstwahl. Da haben wir Kardinäle mit ihm gefrühstückt. Ich habe mit ihm über seine Schwester gesprochen. Sie war von der Priesterweihe an immer seine Begleiterin gewesen, bis sie ganz plötzlich verstarb. Das war sicher ein schwerer Verlust für ihn. Er hat damals gesagt: Ja, das stimmt.
Wir haben aber auch oft miteinander gelacht. Er hatte einen feinen Humor.
Christoph Schönborn
Sie sagten in einem anderen Interview, es wäre nicht gut, wenn die Rücktritte bei Päpsten Schule machen würden. Wieso?
Es ist wichtig zu erleben, wie jemand eine solche Aufgabe nicht nur als ein Amt, als Pflicht, sondern als Lebensauftrag wahrnimmt. Papst zu sein bedeutet Vater der Gläubigen zu sein. Und das bleibt man lebenslang.
Vor allem in seinen letzten Jahren war Ratzingers Wirken überschattet von Skandalen rund um Missbrauch in der Kirche. Wird das sein Erbe definieren?
Ich glaube, die Geschichte wird gerechter sein als das jetzige Urteil. Er war der Erste, der in der Missbrauchsfrage ganz entschieden gehandelt hat. Er hat einen eigenen Gerichtshof eingerichtet, der gesellschaftlich nach wie vor vorbildlich ist. Ratzinger war auch gegen Widerstände im Vatikan derjenige, der gesagt hat: „Missbrauch muss auch in der Kirche geahndet werden.“ Nach einiger Zeit wird man seinen Einsatz gerechter beurteilen.
Was bleibt sonst von Papst Benedikt XVI.?
Seine Schriften. Sie zählen zu den wichtigsten des 20. und 21. Jahrhunderts.
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