Neue Studie warnt:

Bis 2100 ist die Hälfte der Gletscher verschwunden

Wissenschaft
06.01.2023 11:22

Selbst wenn die globale Durchschnittstemperatur um nur 1,5 Grad Celsius steigt, geht bis 2100 die Hälfte der weltweiten Gletscher verloren. Und das sei noch das optimistischste Szenario, so eine neue Studie, an der auch Innsbrucker Forscher mitgewirkt haben. Bei der aktuell prognostizierten Erwärmung um 2,7 Grad sind Mitteleuropa, Westkanada und USA 2100 entgletschert, berichtet ein internationales Forscherteam im Fachjournal „Science“.

Das Team um David Rounce von der Carnegie Mellon University (USA), dem auch der Glaziologe Fabien Maussion vom Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften der Universität Innsbruck angehörte, stellte in seiner Arbeit ein auf neuen Datensätzen basierendes Prognosemodell für die Zukunft der weltweit 215.547 Gletscher (mit Ausnahme des grönländischen und des antarktischen Eisschildes) unter vier verschiedenen Klimaszenarien vor.

(Bild: APA/Stephan Galos)

Bis zu 83 Prozent der Gletscher bedroht
Demnach werden die Gletscher selbst in den optimistischsten Szenarien wesentlich mehr Masse verlieren und zu einem stärkeren Anstieg des Meeresspiegels beitragen als derzeit geschätzt. Je nach Ausmaß der Erderwärmung werden die Gletscher bis zum Jahr 2100 rund 26 Prozent (plus 1,5 Grad Celsius) bis 41 Prozent (plus vier Grad Celsius) ihrer Masse (bezogen auf das Jahr 2015) verlieren. Dies werde zum Verschwinden von 49 bis 83 Prozent der Gletscher führen. Also selbst beim derzeit unrealistischen optimistischen Szenario einer Erwärmung im Ausmaß von nur 1,5 Grad Celsius geht bis Ende des Jahrhunderts die Hälfte aller Gletscher weltweit verloren.

Verbunden damit ist auch ein viel größerer Beitrag der Gletscher zum Anstieg des Meeresspiegels als derzeit angenommen. Dem Modell zufolge wird allein durch die abschmelzenden Gletscher der Meeresspiegel um 90 bis 154 Millimeter steigen.

Meeresspiegel könnte um über einen Meter steigen
Aktuell steuert die Welt angesichts der derzeit zugesagten Emissionsreduktion und Klimaschutzmaßnahmen auf einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 2,7 Grad Celsius zu. Dies hätte bis 2100 das Verschwinden von zwei Drittel aller Gletscher weltweit zur Folge und würde dadurch den Meeresspiegel um 115 Millimeter ansteigen lassen.

In den meisten Regionen der mittleren Breiten würde damit das vermeintlich „Ewige Eis“ weitgehend verschwinden, schreiben die Wissenschaftler in ihrer Arbeit. Verbunden sei diese Entwicklung auch mit Veränderungen in der Hydrologie, Ökologie und bei Naturgefahren. So werde damit etwa die Verfügbarkeit von Süßwasser für fast zwei Milliarden Menschen beeinflusst.

Forscher: „Jedes Zehntelgrad weniger zählt“
„Die rasch zunehmenden Gletschermassenverluste bei einem globalen Temperaturanstieg von über 1,5 Grad Celsius unterstreichen die Dringlichkeit ehrgeizigerer Klimazusagen zum Erhalt der Gletscher in diesen Bergregionen“, betonen die Forscher, jedes Zehntelgrad weniger zähle, um das Abschmelzen einzudämmen.

Laut Maussion ist es für sehr viele Gletscher bereits zu spät. „Aber das heißt nicht, dass wir nichts mehr tun können. Jede Reduktion der Treibhausgasemissionen und damit die Abkehr von fossilen Brennstoffen trägt dazu bei, noch bestehende Eismassen zu retten und den Anstieg des Meeresspiegels einzugrenzen“, erklärte der Glaziologe.

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