„Propaganda-Geste“

Orthodoxe Weihnachten: Putins Feuerpause gestartet

Ausland
06.01.2023 12:08

Die von Kremlchef Wladimir Putin am Donnerstag angekündigte einseitige Waffenruhe in der Ukraine zum orthodoxen Weihnachten ist Freitagmittag Moskauer Zeit (10 Uhr MEZ) in Kraft getreten. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Feuerpause die angeordneten 36 Stunden hält, gilt aber als gering. Die Ukraine sprach von einer „Propaganda-Geste“.

Der Kreml hatte die Feuerpause damit begründet, Gläubigen die Möglichkeit geben zu wollen, an den Gottesdiensten teilzunehmen. Die ukrainische Führung hat bereits im Vorfeld die Aufforderung abgelehnt, in der Zeit ebenfalls die Waffen ruhen zu lassen. Frieden könne es erst nach dem Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine geben, hieß es aus Kiew. 

Zugleich haben auch von Moskau eingesetzte Politiker in den besetzten Gebieten der Ukraine deutlich gemacht, dass sie im Zweifel bereit seien, zu schießen. Die Anordnung Putins betreffe nur Angriffshandlungen von russischer Seite. „Das bedeutet nicht, dass wir nicht auf Provokationen des Gegners antworten werden! Oder dem Feind auch nur irgendeine Chance geben werden, während dieser Feiertagsstunden seine Positionen an der Frontlinie zu verbessern“, schrieb der von Moskau eingesetzte Statthalter in Donezk, Denis Puschilin, am Donnerstag in seinem Telegram-Kanal.

(Bild: Associated Press)

Vertreter der russischen Besatzungsmacht im Osten der Ukraine erklärten kurz nach Eintreten der Waffenruhe: „Die ukrainischen Streitkräfte haben genau um 12 Uhr, als die Feuerpause in Kraft getreten ist, Donezk aus Artilleriewaffen beschossen.“ Wie die russische Seite auf den angeblichen Beschuss reagiert, ist noch unklar.

Selenskyj sieht „reine Propaganda-Geste“
Die Ukraine hatte das Angebot von Anfang an als „reine Propaganda-Geste“ abgetan. Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, dass Moskau einen Waffenstillstand nur deshalb anstrebe, um den ukrainischen Vormarsch im Donbass zu stoppen und mehr Männer und Ausrüstung an die Front zu bringen. In seiner täglichen Videoansprache, in der er deutlich auf Russisch und nicht auf Ukrainisch sprach, betonte er, dass der Krieg erst enden werde, „wenn ihre Soldaten abziehen oder wir sie hinauswerfen“. „Was wird das bringen? Nur einen weiteren Anstieg der Zahl der Toten. Jeder in der Welt weiß, wie der Kreml die Kriegspausen nutzt, um den Krieg mit neuem Elan fortzusetzen“, so Selenskyj (siehe Video oben).

(Bild: Ukrainian Presidential Press Office)

US-Präsident Joe Biden wertete die von Putin angeordnete Waffenruhe als Versuch Moskaus, sich eine Atempause zu verschaffen. Putin sei am 25. Dezember und zu Neujahr dazu bereit gewesen, „Krankenhäuser und Kindergärten und Kirchen zu bombardieren“, sagte Biden am Donnerstag in Washington. „Ich denke, er versucht gerade, sich etwas Luft zu verschaffen“, so Biden.

Experte: „Taktisch geschickter Schachzug“
Russlandexperte Wolfgang Mueller sprach Donnerstagabend in der „ZiB 2“ des ORF von einem „taktisch geschickten Schachzug“ Putins. Einerseits zeige der Kremlchef, dass er „Herr des Handelns“ sei, andererseits „setzt er die Ukraine unter Druck“, meinte der Professor des Instituts für Osteuropäische Geschichte an der Universität Wien. Außerdem könne es ein Versuch sein, die geschlossene Front gegen Russland in der Ukraine, aber auch im Westen aufzubrechen, sagte der Experte.

Putin reagierte auf Appell von Patriach Kirill
Es ist das erste Mal seit Beginn der russischen Offensive in der Ukraine, dass Moskau eine vollständige Waffenruhe in dem Land ankündigt. Putin reagierte damit auf einen Appell des 76-jährigen russischen Patriarchen Kirill, der um eine solche Feuerpause während des orthodoxen Weihnachtsfests gebeten hatte, das in beiden Ländern gefeiert wird. Kirill ist ein vehementer Unterstützer von Putin und dessen Politik und predigt gegen Kiew und den Westen.

Moskau hatte im September die vier ukrainischen Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson für annektiert erklärt. Weite Teile der internationalen Gemeinschaft erkennen die Annexionen nicht an. Vor allem um diese Gebiete im Osten der Ukraine und im Süden wird derzeit heftig gekämpft.

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