Der ehemalige Journalist Gerhard Draxler leitet ehrenamtlich jene Kommission, die das angebliche Interventions-System im ORF-Landesstudio NÖ untersucht. Im „Krone“-Interview betont er: „Der ORF ist der Politik nicht verpflichtet.“
„Krone“: Eine ORF-interne Kommission prüft Interna des ORF. Wie frei und unabhängig sind Sie als Chef dieser Kommission?
Gerhard Draxler: Die Kommission agiert vollkommen weisungsfrei und unabhängig. Abseits des Prüfungsauftrags gab es keinerlei Zusatzwünsche oder Interventionen. Was mich betrifft, und weil wir gerade am Ufer des Wörthersees sitzen: Ich bin so frei, als ob ich im Wörthersee schwimmen würde. Und ich kann gut schwimmen.
Wie sieht die Prüfung aus?
Wir starten am Montag mit den Befragungen auf dem Küniglberg. Insgesamt werden wir 70 bis 80 Kolleginnen und Kollegen zu Anhörungen einladen: Das sind vor allem Journalistinnen und Journalisten aus dem Landesstudio Niederösterreich und einige aus der „ZiB“- und Radioredaktion am Küniglberg, die mit dem Landesstudio kommuniziert haben. Wir prüfen, ob Robert Ziegler gegen das ORF-Gesetz, das Redaktionsstatut oder Programmrichtlinien verstoßen hat. Die berufsethische Seite müssen andere beurteilen.
Wann wird der Prüfbericht fertig sein?
Die Befragung von so vielen Personen wird dauern. Fix ist: Wir arbeiten zügig, sind aber keine Schnellschusskommission. Und ich werde keinen Zwischenbericht liefern, vor der Landtagswahl in Niederösterreich wäre dies Munition für die eine oder andere Seite, das würde die öffentliche Diskussion unnötig befeuern. Außerdem könnte das einen Flächenbrand auslösen, auch in den anderen Landesstudios.
Sie werden wenigstens Generaldirektor Roland Weißmann am Laufenden halten?
Nein, auch nicht. Er vertraut mir.
Der ORF-Redakteursrat hat die Suspendierung von Robert Ziegler verlangt. Warum wurde er nicht suspendiert?
Dieses Ansinnen kann ich gut nachvollziehen, weil es sehr viel Unruhe in der Redaktion gibt. Es gibt großen Frust, viele erwarten sich einen Befreiungsschlag. Und der Redakteursrat entspricht dieser Stimmung der Journalistinnen und Journalisten, die ja auch in Niederösterreich eine hervorragende Arbeit leisten - unter nicht ganz einfachen Bedingungen. Über arbeitsrechtliche Schritte hat die Kommission allerdings nicht zu urteilen. Ich bin jedenfalls gegen jede Art der Vorverurteilung, auch für Robert Ziegler gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung.
Es geht auch anders: ORF-Chefredakteur Matthias Schrom ist wegen einer Chat-Affäre auf Urlaub gegangen und dann zurückgetreten.
Matthias Schrom hatte offenbar ein anderes Amtsverständnis. Bei Robert Ziegler hätte ein verlängerter Weihnachtsurlaub die Situation wahrscheinlich beruhigt.
Was muss passieren, damit Sie am Ende sagen: Die Kommission war sinnvoll - oder umgekehrt, die hätten wir uns ersparen können?
Wir werden die Vorwürfe penibel überprüfen und feststellen, ob es Verstöße gab. Aber es geht um mehr. Die Frage ist: Kann der ORF seinen journalistischen Auftrag, nämlich unabhängig, ausgewogen und fair zu berichten, erfüllen? Die Vorwürfe in Niederösterreich haben Auswirkungen auf den gesamten ORF und erschüttern ihn in seinen Grundfesten. Eine seiner Säulen, nämlich die des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der ausschließlich seinen Sehern und Hörern und nicht der Politik verpflichtet ist, beginnt schon zu wackeln - das ist gar nicht gut. Und es geht um die journalistische Haltung: Wenn man permanent nach außen ruft, unabhängig zu sein, kann man nicht im Innenverhältnis diese Unabhängigkeit korrumpieren. Die Kommission kann ein Weckruf an alle Redaktionen sein.
Gerhard Draxler begann seine journalistische Karriere bei der „Steirerkrone“. Ab 1989 war der heute 70-Jährige im ORF in unterschiedlichen Leitungspositionen tätig: Landesintendant des ORF Kärnten (1998-2002), ORF-TV-Informationsdirektor (2002-2006) und Landesdirektor des Landesstudios Steiermark (2006-2019).
Der ORF ist in seiner Finanzierung abhängig von der Politik. Insofern ist er auch der Politik verpflichtet.
Nein, ist er nicht! Das ist eine völlige Fehleinschätzung.
Das Spannungsfeld ORF und Politik zeigt sich auch im Stiftungsrat - dieses höchste Gremium des ORF wird ausschließlich politisch über sogenannte Freundeskreise besetzt - oder im Anhörungsrecht der Landeshauptleute bei der Bestellung von ORF-Landesdirektoren. Trotzdem nicht der Politik verpflichtet?
Nein, ist er nicht. Die Zusammensetzung des Stiftungsrats, also die Bestellung der Mitglieder durch Bundesregierung und Bundesländer, entspricht der Realverfassung Österreichs. Ich stoße mich allerdings am Wort „Freundeskreis“: Da schwingt eine Verhaberung mit, die dem Vertrauen der Öffentlichkeit in den ORF nicht zuträglich ist. Wenn das Anhörungsrecht nicht zum Vorschlagsrecht umfunktioniert wird, ist es absolut in Ordnung, dass der oberste ORF-Vertreter den obersten Bundeslandvertreter darüber informiert, wer Landesdirektor wird.
Der ORF kann nicht losgelöst von der Politik agieren - das ist unmöglich, auch nicht auf Landesebene. Soll er auch nicht.
Gerhard Draxler
Wie sind Sie selbst mit politischen Interventionen umgegangen?
Zwei Antworten dazu. Als ich Landesintendant in Kärnten wurde, war meine erste Amtshandlung die Abschaffung der Sendung des Landeshauptmanns. Das hat damals einige ORF-Landesintendanten nicht ganz so erfreut. Und einem Stiftungsrat, der Interventionen angekündigt hatte, habe ich gesagt: Beim ersten Anruf werde ich die Intervention online stellen. Ich habe von dem Mann nie mehr etwas gehört.
Wie zudringlich war Jörg Haider?
Er hat nie interveniert. Brandgefährlich aber war sein Umfeld, das immer wieder versucht hat, auf brutale Art und Weise Einfluss auf die Redaktion zu nehmen.
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