Nach Russen-Angriff
Reporter: Keine Beweise für 600 tote Ukrainer
Unmittelbar nach Ablauf der von Russland ausgerufenen weihnachtlichen Waffenruhe, die dann eigentlich auch keine war, schlugen russische Artillerie und Luftwaffe im Osten der Ukraine erneut zu. In der Stadt Kramatorsk sollen nach Moskauer Angaben rund 600 ukrainische Soldaten bei Angriffen auf zwei Kasernen getötet worden sein. Mehrere ausländische Journalisten, die sich zu den getroffenen Gebäuden begaben, fanden aber wenig bis gar keine Anhaltspunkte für die vielen Getöteten.
Das russische Verteidigungsministerium erklärte, es habe sich um „Vergeltungsschläge“ für den ukrainischen Angriff auf eine russische Kaserne in der von Russland gehaltenen Stadt Makijiwka Anfang des Jahres gehandelt. Die Ukraine hatte die Unterkunft nach russischen Angaben in der Silvesternacht beschossen und mit vier Raketen getroffen. Es habe sich um Quartiere gehandelt, in denen russische Rekruten untergebracht gewesen seien.
Russische Militärblogger erklärten später, die Soldaten seien in einem ungeschützten Gebäude neben einem Munitionslager und in Reichweite ukrainischer Raketen stationiert gewesen. Es gab heftige Kritik an den Kommandanten, die nicht für die Sicherheit der Truppen gesorgt haben sollen. Während Kiew von mehr als 500 Toten und zahlreichen weiteren Verletzten sprach, erklärte Moskau, es seien mindestens 89 Russen getötet worden.
Während man auch im Falle der ukrainischen Angaben von wohl zu hoch angesetzten Opferzahlen ausgehen sollte, könnte es im Falle der „Vergeltungsschläge“ ebenfalls Propaganda sein, um die Moral der eigenen Truppen zu stärken. Denn es gibt Hinweise dafür, dass die Angriffe keine größeren Opfer gefordert haben. Der ukrainische Bürgermeister der Stadt Kramatorsk teilte am Sonntag auf seiner Facebookseite mit, dass bei den Angriffen keine Menschen getötet worden seien. Ein finnischer Journalist begutachtete wenig später die Angriffsorte. Es handelt sich um eine leer stehende Schule und einen Garagenkomplex.
Finnischer Auslandskorrespondent: „Ein bisschen seltsam“
Was Antti Kuronen, Auslandskorrespondent des finnischen Rundfunksenders Yle, dort sah, fasste er kurz in mehreren Tweets zusammen. Beweisfotos gab es ebenfalls dazu. Unter anderem schrieb Kuronen zum Schulgebäude: „Es ist ein bisschen seltsam, dass es nicht einmal abgeriegelt ist. In der Früh sahen Einheimische nicht einmal irgendwelche Rettungskräfte in der Nähe.“ „Es befindet sich ein großer Krater vor der Schule, es gibt aber keinen direkten Treffer. Laut dem Militär war die Schule leer“, so Kuronen weiter.
Auch nach dem Lokalaugenschein bei dem Garagenkomplex, wo ebenfalls eine russische Rakete eingeschlagen habe, meinte der Finne: „Ich muss sagen, dass ich an dieser Stelle meinen eigenen Beobachtungen und den ukrainischen Angaben mehr glaube als den russischen.“ Auch ein CNN-Reporterteam fand keine Anhaltspunkte für einen solch massiven Verlust für die ukrainische Armee. Reuters-Reporter konnten zwei Schlafhallen besichtigen, die russischen Angaben zufolge zeitweise von ukrainischen Soldaten während der Nacht belegt worden waren. Keines schien direkt getroffen oder schwer beschädigt zu sein.
Vor Ort waren keine Anzeichen zu sehen, dass dort Soldaten gewohnt hatten und keine, die auf Tote hindeuteten. Auch fanden sich keine Blutspuren. An einem Schlafsaal waren Fenster zerbrochen und im Hof war ein großer Krater zu sehen. Das andere von Russland benannte Gebäude war komplett intakt. Es klaffte aber etwa 50 Meter entfernt ein Krater in der Nähe einiger Garagen.
Russen und Ukrainer tauschten 50 Gefangene aus
Tatsächlich stattgefunden hat am Sonntag hingegen ein weiterer Gefangenenaustausch zwischen Russland und der Ukraine. „Am 8. Jänner wurden im Resultat des Verhandlungsprozesses 50 russische Soldaten, denen in Gefangenschaft tödliche Gefahr drohte, vom Territorium zurückgeholt, das unter Kontrolle des Kiewer Regimes steht“, teilte das russische Verteidigungsministerium am Sonntag in seinem Telegram-Kanal mit. Kurz darauf bestätigte die ukrainische Seite den Austausch. Gefangenenaustausche gibt es zwischen Moskau und Kiew inzwischen regelmäßig. Es ist der einzige Bereich, in dem zwischen den beiden Kriegsparteien noch ein Dialog stattfindet, während die Verhandlungen auf anderen Ebenen zum Stillstand gekommen sind.
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