Experte analysiert:

So übt die heimische Politik Macht auf den ORF aus

Niederösterreich
08.01.2023 19:00

Medienexperte Peter Plaikner analysiert: Einflussnahme auf die Berichterstattung gibt es nicht nur im Landesstudio Niederösterreich.

Hat Niederösterreichs ORF-Landesdirektor Robert Ziegler die Berichterstattung zugunsten der ÖVP (namentlich Ex-Landeshauptmann Erwin Pröll und Nachfolgerin Johanna Mikl-Leitner) sowie Unternehmen wie Raiffeisen und Novomatic beeinflusst?

Während am Montag von einer Prüfungskommission auf dem Küniglberg in ersten Anhörungen ORF-Mitarbeiter zu diesen massiven Vorwürfen befragt werden, spitzt sich die Debatte um politische Einflussnahme auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, per Gesetz der Objektivität und Unabhängigkeit verpflichtet, zu.

Niederösterreich als Spitze des Eisbergs
„Niederösterreich ist wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs“, meint der renommierte Medien- und Politikexperte Peter Plaikner gegenüber der „Krone“ - und erinnert an den zurückgetretenen TV-Chefredakteur Matthias Schrom: „Er hat in zwei anderen, parteilich gegensätzlich dominierten Landesstudios - Tirol und Wien - gelernt, wie das ORF-Wechselspiel mit der Parteipolitik läuft.“

Matthias Schrom wurde am 25. Mai 2018 zum Chefredakteur von ORF 2 gemacht. Damit hatte er unter anderem die „ZiB“-Formate und die „Pressestunde“ zu verantworten. (Bild: ORF)
Matthias Schrom wurde am 25. Mai 2018 zum Chefredakteur von ORF 2 gemacht. Damit hatte er unter anderem die „ZiB“-Formate und die „Pressestunde“ zu verantworten.

„In einigen Redaktionen läuft manches falsch“
Peter Plaikner ortet auch in anderen Landesstudios mitunter Willfährigkeit einiger Journalistinnen und Journalisten gegenüber der Politik sowie fehlende fundierte Kritik: „In dieser Hinsicht läuft in einigen ORF-Redaktionen wohl manches falsch. Als Grundlage für dieses Urteil braucht man sich nur die Sendungen anzuschauen.“

Sein kritisches Fazit: „Die größere Gefahr als eine offensichtliche Einflussnahme ist die Schere im Kopf, die sich bei ORF-Mitarbeitern aufgrund von Zuständen bilden kann, wie sie aktuell dem Landesstudio Niederösterreich vorgeworfen werden.“

Ein Grundübel sieht Plaikner in der Machtausübung der Landeshauptleute gegenüber dem Staatsfunk: „Die politische Abhängigkeit der Landesstudios beginnt schon bei der Wahl des ORF-Generaldirektors. Er braucht möglichst viele Stimmen der neun Landesstiftungsräte. Die werden aber de facto von den Landeshauptleuten bestimmt.“

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Das Anhörungsrecht der Landeshauptleute muss ersatzlos abgeschafft werden.

Peter Plaikner

Und auch bei der Bestellung der Direktoren der Landesstudios mischen die Landeshauptleute bekanntlich kräftig mit. Letzteren stünde gesetzlich zwar nur ein Anhörungsrecht zu, „wegen der politischen Abhängigkeit des ORF-Generals interpretieren es die meisten aber mindestens bis zur Mitbestimmung um“, so der Experte. Seine Forderung: „Das Anhörungsrecht der Landeshauptleute muss ersatzlos abgeschafft werden.“

Stiftungsrat – „der Fisch stinkt vom Kopf her“
Hart ins Gericht geht der Tiroler mit dem Stiftungsrat, oberstes Kontrollgremium des ORF: „Der Fisch stinkt vom Kopf her. Damit ist nicht der Generaldirektor, sondern eben der Stiftungsrat gemeint. Seine Fehlkonstruktion muss repariert werden.“ Aus Plaikners Sicht könnten die Bundesländer weiter Stiftungsräte stellen – „doch für ihre Wahl gäbe es viele andere Verfahren. Je mehr Bürgerbeteiligung, desto besser.“

Zu wenige Experten und Unabhängige
Lässt sich ein öffentlich-rechtliches Medium ganz ohne Parteipolitik konstruieren? „Nein. Doch in den ORF-Gremien fehlt sowohl ein Gegengewicht durch ausreichend Unabhängige als auch die Sachkenntnis von Experten.“

Kommentar: Es geht um die Zukunft des ORF
Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner nennt die Affäre im Landesstudio NÖ eine „ORF-interne Intrige“, Interventionen ihrerseits oder ihrer Partei bestreitet sie. Das ist so, als würde ein Hendlbauer Käfighaltung als internes Problem seiner Hühner bezeichnen, ätzt Kabarettist Florian Scheuba. Alles recht lustig, wenn die Lage nicht so ernst wäre. Denn es geht hier um die Zukunft des ORF. Um nicht mehr und nicht weniger.

Porträt von Oliver Pokorny
Oliver Pokorny
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