Revolte in Brasilien
Bolsonaro-Anhänger stürmen Regierungsgebäude
Anhänger des rechtsradikalen brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro haben am Sonntag mehrere Amtsgebäude - darunter auch den Kongress und den Präsidentenpalast - gestürmt. Die Proteste richten sich gegen den Wahlsieg des seit Jahresanfang amtierenden linksgerichteten Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva. Mittlerweile soll die Polizei laut brasilianischen Medien wieder die Kontrolle über die Amtsgebäude übernommen haben. Es gab Dutzende Festnahmen und, wie auf einigen Bildern zu erkennen war, auch Verletzte.
Auf ihrem Weg zu den wichtigsten Schaltzentralen des südamerikanischen Staates hatten die Demonstranten Fensterscheiben zerschlagen und erheblichen Sachschaden angerichtet, wie auf Fotos zu sehen war, die in Online-Netzwerken verbreitet wurden. Sie drangen auf das Gelände des Parlaments vor und gelangten danach auf das Dach des Gebäudes, wie auf Fernsehbildern zu sehen war. Video-Aufnahmen örtlicher Medien zeigten, wie Tausende Menschen in den gestürmten Gebäuden Möbel zerstörten.
„Ich verurteile diese antidemokratischen Handlungen, die dringend mit der Härte des Gesetzes geahndet werden müssen“, schrieb Senatspräsident Rodrigo Pacheco auf Twitter. „Ich habe mit dem Gouverneur des Bundesdistrikts, Ibaneis Rocha, telefoniert, mit dem ich in ständigem Kontakt stehe. Der Gouverneur teilte mir mit, dass der gesamte Polizeiapparat sich darauf konzentriert, die Situation unter Kontrolle zu bringen“, so Pacheco weiter.
Erinnerungen an Kapitol-Sturm in Washington D.C.
In dem Kongressgebäude befinden sich der Senat und das Abgeordnetenhaus. Die Bilder weckten Erinnerungen an den Sturm auf das US-Kapitol am 6. Jänner 2021. Nach dem Angriff auf den Kongress zogen Bolsonaro-Anhänger auch zum Obersten Gerichtshof. Sie hätten dort Scheiben eingeworfen und seien in die Lobby vorgedrungen, berichtete das Nachrichtenportal G1. Später zogen sie demnach auch zum Regierungssitz Palácio do Planalto. Viele Eindringlinge trugen gelbe Kleidung und schwenkten die brasilianische Flagge. Auch auf den umliegenden Rasenflächen und Plätzen sowie vor dem Präsidentenpalast Planalto versammelten sich zahlreiche Bolsonaro-Anhänger. Versuche von Sicherheitskräften, die Demonstranten mit Tränengas zurückzudrängen, hatten offenbar keinen Erfolg.
Der rechte Präsident Bolsonaro war im vergangenen Oktober dem Linkspolitiker Lula da Silva in der Stichwahl unterlegen und zum Jahreswechsel aus dem Amt geschieden. Er hatte seine Wahlniederlage nie ausdrücklich anerkannt. Radikale Anhänger des Ex-Militärs hatten bereits nach der Wahl immer wieder gegen Lulas Sieg protestiert und die Streitkräfte des Landes zu einem Militärputsch aufgerufen.
Bolsonaro in die USA geflogen
Brasiliens Präsident Lula hielt sich am Sonntag nach Angaben von Beamten im Bundesstaat São Paulo auf. Er war in die Stadt Araraquara gereist, um sich über die Folgen der schweren Unwetter in der Region zu informieren. Die Angreifer nannte er in einer Stellungnahme „faschistische Fanatiker“, die „mit der vollen Härte des Gesetzes“ bestraft würden. Gleichzeitig ordnete der neue Präsident an, dass die Bundesregierung die Verantwortung für die öffentliche Sicherheit in Brasilia übernimmt. Diese Ausnahmesituation soll dem Vernehmen nach bis Ende Jänner gelten.
Die Chefin der regierenden Arbeiterpartei erhob unterdessen schwere Vorwürfe gegen die Verantwortlichen in der Hauptstadt. „Die Regierung des Bundesbezirks war unverantwortlich angesichts der Invasion in Brasilia und im Nationalkongress“, schrieb Gleisi Hoffmann am Sonntag auf Twitter. „Das war ein angekündigtes Verbrechen gegen die Demokratie, gegen den Willen der Wähler und für andere Interessen. Der Gouverneur und sein Sicherheitsminister, ein Anhänger von Bolsonaro, sind für alles verantwortlich, was passiert.“ Der Sicherheitschef der Hauptstadt wurde vom Gouverneur des Zentralbezirks entlassen. „Ich habe die Entlassung des Sicherheitsministers des Bundesdistrikts beschlossen und gleichzeitig alle Sicherheitskräfte auf die Straße geschickt, um die Verantwortlichen festzunehmen und zu bestrafen“, schrieb der Gouverneur.
Selbst Bolsonaros Partei verurteilt Angriffe
Allerdings verurteilte auch die Partei des ehemaligen Staatschefs den Angriff. „Heute ist ein trauriger Tag für die brasilianische Nation. Wir können mit der Erstürmung des Nationalkongresses nicht einverstanden sein“, sagte der Vorsitzende von Bolsonaros Liberaler Partei (PL), Valdemar Costa Neto, in einem am Sonntag veröffentlichten Video. „Alle geordneten Demonstrationen sind legitim. Aber das Chaos hat nie zu den Grundsätzen unserer Nation gehört. Wir verurteilen dieses Verhalten aufs Schärfste“, so Neto weiter.
Lula hatte vor einer Woche seinen Amtseid abgelegt. Sein Vorgänger, der Rechtspopulist Bolsonaro, erkannte den Sieg nicht an und verließ das Land 48 Stunden vor dem Ende seiner Amtszeit. Vor seinem Abflug nach Florida wandte er sich an seine Anhänger und rief sie zum Kampf gegen Lula auf. Dieser ist zum dritten Mal im Amt. Er war bereits von 2003 bis 2010 Staatsoberhaupt.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.