Tirols stellvertretender Landesumweltanwalt Walter Tschon spricht mit der „Tiroler Krone“ über seine Aufgaben und die aktuelle Energie-Debatte. Unter anderem weist er darauf hin, dass Tirol jetzt schon Weltmeister bei den Erneuerbaren sei, die Worte „autonom“ oder „autark“ daher weit hergeholt seien.
„Krone“: Wie sieht die Arbeit eines Landesumweltanwaltes aus?
Walter Tschon: In den 90er Jahren, als die Landesumweltanwaltschaft installiert wurde, war es noch ein Naturanwalt. Das Aufgabengebiet umfasste vor allem Naturschutzverfahren. Seither hat sich das Feld erweitert. Wir sind bei Verfahren zu Deponien, Skigebietsprojekten, Maßnahmen im Bereich der Landwirtschaft, Forstwegen sowie Energieanlagen und insbesondere auch im Rahmen von UVP-Projekten als Partei eingebunden. Alle Projekte, die Einfluss auf die Natur nehmen, bedürfen eines Bewilligungsverfahrens. Die jeweilige mündliche Verhandlung kann von einer Stunde bis mehrere Tage bei Großverfahren in Anspruch nehmen.
Es kommt immer wieder vor - sei es bewusst oder unbewusst -, dass Projekte ohne die erforderlichen Bewilligungen und somit illegal begonnen werden.
Walter Tschon
Wie viele Projekte wandern über Ihren Tisch?
Pro Jahr sind es in der Regel rund 1300. Im Vorjahr waren es jedoch etwas mehr. Die Gründe dafür waren die florierende Bauwirtschaft sowie ein gewisser Nachholbedarf aufgrund der Coronapandemie.
Wie groß ist das Team der Landesumweltanwaltschaft?
In Innsbruck sind wir sieben. Dazu kommen 18 ehrenamtliche Naturschutzbeauftragte und Springer, da an einem Tag oft mehrere Verhandlungen in diversen Bezirke stattfinden.
Gibt es auch Projekte, die ohne Landesumweltanwalt umgesetzt werden?
Wir haben natürlich nicht jeden Quadratmeter von Tirol im Blick. Es kommt immer wieder vor – sei es bewusst oder unbewusst –, dass Projekte ohne die erforderlichen Bewilligungen und somit illegal begonnen werden. Seit 15 Jahren gibt es ein Beschwerdemanagement, das auch auf unserer Homepage abrufbar ist. Hier kann jeder, dem etwas auffällt, Meldung erstatten. Dann werden wir natürlich auch aktiv. Im Vorjahr verzeichneten wir regelrecht eine Anzeigenflut. Es zeichnet sich ein Rekord ab.
Zu welchen Themen kommen die meisten Beschwerden?
16 Prozent betreffen die Müllentsorgung, jeweils 15 Prozent Rodungen und Waldzerstörungen bzw. behördliche Bewilligungen. Auf Luft, Lärm und Verkehr entfallen 14 Prozent. Wir antworten auf jede Beschwerde innerhalb von 48 Stunden. Alle zwei Jahre wird auch ein Tätigkeitsbericht von uns erstellt.
Der Landesumweltanwalt ist ja auch immer wieder heftiger Kritik ausgesetzt.
Das stimmt. Wir werden oft als die „Bösen“ und als „Verhinderer“ dargestellt. Fakt ist jedoch, dass wir nur bei rund 30 Projekten ein Rechtsmittel einbringen. Wünschenswert wäre, wenn Medien öfter berichten, welche wichtigen Projekte nach Abstimmung mit uns positiv erledigt werden und dass zahlreiche naturschutzrelevante Themen in Bezug auf Sensibilisierung der Öffentlichkeit am Erhalt und der Bewahrung der Natur auch im Vordergrund stehen.
Vor dem Hintergrund der Erderwärmung sehe ich jedes Projekt im Bereich der Gletscher ablehnend. Ausnahmen sind Eingriffe in die bestehenden Gletscher-Skigebiete, um einen sicheren Betrieb zu garantieren.
Walter Tschon
Welche Projekte sind Ihnen derzeit „ein Dorn im Auge“?
Ich will an dieser Stelle bewusst kein spezielles Projekt nennen. Vor dem Hintergrund der Erderwärmung sehe ich jedes Projekt im Bereich der Gletscher ablehnend. Ausnahmen sind Eingriffe in die bestehenden Gletscher-Skigebiete, um einen sicheren Betrieb zu garantieren. Grundsätzlich braucht es keine neuen Lifte. Tirol hat genug Pistenkilometer. Und auch die Energiekrise kann kein „Persilschein“ sein, um zahlreiche Anlagen auf Freiflächen aufzustellen. Wir sehen unsere Aufgabe darin, ein lebenswertes Tirol zu erhalten. Unsere Kinder und Enkelkinder sollten in den nächsten Jahren ohne großen Aufwand naturnahe Bäche sehen und erleben können und sich in einer lebenswerten Kultur- und Naturlandschaft aufhalten können.
Windräder werden auch immer öfter diskutiert. Wie stehen Sie dazu?
2016 wurde geprüft, wo Anlagen Sinn machen würden. Damals waren es sehr wenige Standorte. Diese waren aber teilweise auch aus ökologischen Kriterien nicht vertretbar. Man muss jedoch berücksichtigen, dass sich die Technik seither verbessert hat. Die neuen Anlagen können mit wesentlich weniger Wind wirtschaftlich betrieben werden. Man wird also erneut prüfen müssen, wo Anlagen aus gesamtheitlicher Sicht Sinn machen.
Walter Tschon studierte Rechtswissenschaften an der Universität Innsbruck. Der 59-Jährige wuchs in Vorarlberg auf. Er arbeitete in diversen natur- und umweltrelevanten Abteilungen des Landes. Seit 2001 ist er stellvertretender Landesumweltanwalt für Tirol. Diese Funktion wird jeweils auf fünf Jahre bestellt. Die derzeitige Periode endet Ende 2025.
Die Politik will, dass Tirol bis 2050 energieautonom ist. Ist das zu schaffen?
Die Worte „autonom“ oder „autark“ sind sehr weit hergeholt. Wir sind Weltmeister bei der erneuerbaren Energie. Tirol erwirtschaftete zum Beispiel 2019 schon eine bilanzielle Stromüberproduktion. Zudem stellt sich die berechtigte Frage, ob der in Tirol durch einzelne Großkraftwerke erzeugte Strom oder in Zukunft durch neue Kraftwerke erzeugte Strom direkt ins benachbarte Ausland fließen soll.
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