Für die „Krone“ analysiert der Londoner Journalist Philip Dethlefs die Auswirkungen von Prinz Harrys Memoiren, die am heutigen Dienstag erscheinen.
Hunderttausende Menschen säumten die Straßen von Windsor, um den Frischvermählten zuzujubeln. Millionen Zuschauer verfolgten das royale Spektakel im TV. Die Traumhochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle sorgte 2018 international für royale Begeisterung. Fast fünf Jahre später ist davon nicht mehr viel übrig.
Rolle als Zweitgeborener nicht gut verkraftet
Mit brisanten Enthüllungen und schweren Vorwürfen gegen das Königshaus machen sich Prinz Harry und Herzogin Meghan unbeliebt. Nach einem aufsehenerregenden Interview bei Oprah Winfrey und einer Netflix-Show erreicht die königliche Abrechnung mit der Veröffentlichung von Harrys Memoiren ihren vorläufigen Höhepunkt. Und viele Britinnen und Briten fragen sich: Was soll das eigentlich?
Am Dienstag erscheint „Spare“. Mit der Autobiografie verspielt der Prinz auch die letzten Sympathien in seiner Heimat. Es dürfte sogar das berüchtigte Buch von Andrew Morton über Harrys Mutter, Prinzessin Diana, in den Schatten stellen, an dem Diana selbst mitgewirkt hatte. Der Titel „Spare“ bezieht sich auf das Sprichwort „an heir and a spare“ (dt. ein Erbe und ein Ersatz). Thronfolger Prinz William ist der Erbe, Prinz Harry lediglich sein Ersatz. Als Zweitgeborenem bleibt ihm also nur eine Nebenrolle.
Buchläden starten Verkauf um Mitternacht
Britische Buchläden haben ausnahmsweise um Mitternacht geöffnet, um das Buch zu verkaufen. Dabei hielt sich die Spannung kurz vor dem Verkaufsstart in Grenzen. Denn trotz strenger Sicherheitsauflagen war „Spare“ - angeblich durch ein Versehen - vergangene Woche für kurze Zeit in einigen Buchläden in Spanien erhältlich.
Britische Buchläden haben ausnahmsweise um Mitternacht geöffnet, um das neue Buch von Harry zu verkaufen.
Philip Dethlefs berichtet von Vorkehrungen wie bei „Harry Potter“-Büchern
Zu den Passagen mit dem meisten Zündstoff zählt, dass Prinz William Harry 2019 körperlich angegriffen haben soll. Sein aufgebrachter Bruder habe ihn am Kragen gepackt und zu Boden geworfen. Er habe sich dabei am Rücken verletzt. Schon in der Netflix-Show hatte er dem Thronfolger herrisches Verhalten vorgeworfen. Im Internet kursiert der Hashtag #Williamisabully (dt. William ist ein Tyrann).
Auch Harrys Schwägerin Catherine kommt nicht gut weg. Sie soll Meghan als Konkurrentin gesehen und sich ihr gegenüber unfair verhalten haben. Selbst für einen seiner eigenen größten Fauxpas macht Harry seinen Bruder und dessen Frau mitverantwortlich. 2005 sorgte er für einen Skandal, als er bei einem Kostümfest in einer Nazi-Uniform erschien. Nun sagt er: William und Kate hätten ihm zu dem Kostüm geraten und sich kaputt gelacht.
Eine Versöhnung zwischen Harry und seiner Familie ist mit der Veröffentlichung von „Spare“ wohl in weite Ferne gerückt.
Dethlefs über ein mögliches Streit-Ende
Wie viel Wahrheit in dem explosiven Buch steckt, lässt sich nicht unabhängig überprüfen. Und bei Familienzwisten gibt es bekanntlich immer zwei Seiten. „Recollections may vary“ (Erinnerungen können variieren), hieß es bereits vor knapp zwei Jahren in einem seltenen Statement, mit dem der Palast auf Anschuldigungen im Interview von Harry und Meghan bei Oprah Winfrey reagierte.
Ob sich die Royals nun zu einer weiteren Stellungnahme hinreißen lassen? Viele fragen sich, ob die Zeit für die Royals jetzt gekommen ist, zurückzuschlagen und ihren Ruf zu retten. Das denkt auch Russell Myers, Royals-Experte des „Daily Mirror“. Bisher hält der Palast am alten Mantra „Never complain, never explain“ (dt.: „Niemals beschweren, niemals erklären“) fest.
Schlechte Umfragewerte für das Aussteiger-Paar
Dass man eine Krise auch einfach aussitzen kann, hat das Königshaus schließlich mehrfach bewiesen. Über Prinz Andrew, der in den Missbrauchsskandal um Jeffrey Epstein verwickelt war, spricht kaum noch jemand. Aktuelle Umfragewerte zeigen, dass sich Harry und Meghan mit ihren Enthüllungen eher selbst schaden. In Großbritannien ist ihre Popularität drastisch gesunken - nur der in Ungnade gefallene Andrew ist noch unbeliebter.
Viele fragen sich, ob die Zeit für die Royals jetzt gekommen ist, zurückzuschlagen und ihren Ruf zu retten.
Der Journalist über die Reaktion der Briten
Victoria Arbiter, Tochter des früheren Pressesprechers der Queen, glaubt, dass Harry und Meghan nach dem Umzug in die USA ohnehin nur noch ihre Wahlheimat im Sinne haben. Dafür spricht, dass Harry anlässlich der Veröffentlichung von „Spare“ gleich drei große Interviews im US-Fernsehen gab, im britischen nur eins.
Eine Versöhnung zwischen Prinz Harry und seiner Familie rückt mit „Spare“ wohl in weite Ferne.
Ganz nebenbei wird der 38-Jährige, der nach seinem Rückzug von der Royal Family keine öffentlichen Gelder mehr erhält, für seine Memoiren königlich entlohnt. Offizielle Angaben gibt es zwar nicht, aber Berichten zufolge soll Prinz Harry für „Spare“ vorab knapp 20 Millionen Euro kassiert haben.
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