Seit 2 Jahren in Haft
Nawalny in Straflager von „Psychopath“ gefoltert
Vor dem zweiten Jahrestag seiner weltweit beachteten Festnahme in Moskau sind die Sorgen um den im Straflager inhaftierten Kremlgegner Alexej Nawalny groß. Der 46-Jährige, der am 17. Jänner 2021 nach einer Behandlung in Deutschland wegen eines Mordanschlags nach Russland zurückkehrte, beklagt Folter von "Perversen" in dem „faschistischen“ Gefängnissystem unter Präsident Wladimir Putin. Nawalny soll es gesundheitlich schlecht gehen, er darf jedoch auf die Unterstützung von Ärzten hoffen.
600 Ärzte unterschrieben einen offenen Protestbrief an Putin, er möge die „Misshandlung“ seines in Isolationshaft erkrankten Gegners beenden. Trotz seiner angeschlagenen Gesundheit zeigt sich Russlands bekanntester politischer Gefangener und Anführer der vor allem vom Ausland aus arbeitenden russischen Oppositionen kämpferisch. Und das, obwohl Familienangehörige und Unterstützer bereits öfter um das Leben des zu insgesamt neun Jahren Haft verurteilten Nawalnys bangten. In seiner Einzelhaft war er trotz Husten, Schüttelfrost und Fieber nach Angaben seines Anwalts Wadim Kobsew zunächst nicht behandelt worden.
Nun aber bekommt er laut Kobsew ein Antibiotikum und hatte Besuch vom Chefarzt einer Klinik, in der er schon nach einem lebensbedrohlichen Hungerstreik behandelt worden war (siehe Tweet unten). Der Anwalt trifft Nawalny immer wieder in der Strafkolonie 6 in Melechowo nahe der Stadt Kowrow etwa 260 Kilometer nordöstlich von Moskau.
Ständige Angst um Nawalnys Leben
Putin als Garant der russischen Verfassung müsse Nawalnys Recht auf ärztliche Behandlung sicherstellen, hieß es in dem Brief. Dieser zeigte Wirkung. Wenig später leitete der Kreml den Fall an den Strafvollzug weiter. Auch Nawalnys Ehefrau Julia hatte dem Strafvollzug geschrieben und gefragt, ob dort überhaupt noch Menschen arbeiteten. Sie und ihre beiden Kinder sind in ständiger Angst um Nawalnys Leben, seit er im August 2020 nur knapp einen Giftanschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok überlebte. Nawalny hatte Putin selbst als „Mörder“ bezeichnet.
Nawalny besonders harten Strafen ausgesetzt
Zwei Jahre ist es am 17. Jänner her, dass Nawalny trotz absehbarer Inhaftierung von einer Behandlung in der Berliner Charité und im Schwarzwald nach Russland zurückkehrte. Er hatte damals erklärt, dass er sich im Land dem Kampf gegen Putin stellen wolle - nicht aus der Ferne als Kritiker im Ausland. Die meist per Video aus dem Straflager übertragenen Auftritte zeigten einen abgemagerten Häftling.
Schon zehnmal sei Nawalny in eine Strafzelle gesperrt worden, 105 Tage insgesamt, sagte seine Sprecherin Kira Jarmysch. Sie beklagt eine totale Entmenschlichung des Systems. Der Politiker muss diese besonders harten Strafen immer wieder hinnehmen, weil er sich mit Wächtern anlegt und etwa Rechte einklagt.
„Schlafentzug eine der wirksamsten Foltermethoden“
In einem bei Instagram veröffentlichten Beitrag zum zweiten Jahrestag seiner Inhaftierung schrieb Nawalny, dass ihm in Einzelhaft vor einem Monat ein psychisch kranker Mann in eine Zelle gegenüber gesetzt wurde. „Er schreit 14 Stunden am Tag und drei in der Nacht“, teilte Nawalny mit. Der Mann würde zudem stundenlang knurren. Es sei unmöglich, nachts zu schlafen. „Bekanntlich ist Schlafentzug eine der wirksamsten Foltermethoden.“ Er habe viel erlebt und gelesen. Aber so etwas habe ich noch nie gesehen oder gehört. Der „Psychopath“ sei absichtlich zu ihm verlegt worden, damit ihm „nicht langweilig“ werde. Eine Idee, die funktioniere.
Das Gefängnissystem wird nicht nur von einer wahren Ansammlung an Schurken geführt, sondern von echten kranken Perversen.
Alexey Nawalny
Gefängnissystem von „echt kranken Perversen“ geführt
„Alles, was ihr lest über den Horror und die faschistischen Verbrechen unseres Gefängnissystems, das ist alles die Wahrheit. Mit einer Richtigstellung: die Wirklichkeit ist noch schlimmer“, schrieb er. Es gebe etwa die bekannten Vergewaltigungen mit dem Schrubber - Dinge, die normalen Menschen nie in den Sinn kämen. „Das Gefängnissystem wird nicht nur von einer wahren Ansammlung an Schurken geführt, sondern von echten kranken Perversen.“
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Freilassung nicht in Sicht
Nawalnys Team wirft dem Kreml vor, weiter alles dafür zu tun, um Putins wichtigsten Gegner auszuschalten. Zwar ist die Hoffnung der Opposition groß, dass Putin in seinem Krieg gegen die Ukraine eine Niederlage erleidet und abtreten muss. Nawalny, der sich als Kämpfer gegen Korruption einen Namen gemacht, zeigte sich als Anführer der nicht zugelassenen Partei der Zukunft Russlands auch zur Übernahme der Macht bereit. Aber weder eine politische Führungsrolle in Russland noch seine Freilassung sind bisher in Sicht.
Quelle: dpa
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