Im Sommer geht er mit Blur auf Tour und spielt zwei der größten Konzerte seiner Karriere. Vorher veröffentlicht Schlagzeuger Dave Rowntree erstmals ein Soloalbum. Auf „Radio Songs“ singt der vielseitig interessierte Musiker zu ungewöhnlichen Klängen.
Zugegeben, mit 58 Jahren eine Solokarriere zu starten, ist etwas ungewöhnlich, um nicht zu sagen: sehr spät. Dave Rowntree grinst, als er auf den Umstand angesprochen wird. „Ich brauchte das nötige Selbstvertrauen und die Gelegenheit dafür“, sagt der Schlagzeuger der Britpop-Ikonen Blur im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Jetzt erscheint sein erstes Soloalbum „Radio Songs“.
Das nötige Selbstvertrauen
Dass er seit mehreren Jahren Musik für Filme und Dokumentationen macht, gab ihm den entscheidenden Schub. „Meine Karriere als Filmkomponist war bisher erfolgreich“, sagt Rowntree. „Und das hat mir wirklich das Selbstvertrauen gegeben, es mal zu versuchen, meine Songs zusammenzustellen, sie richtig aufzunehmen und auf eine Platte zu bringen.“ Die passende Zeit dafür boten schließlich zwei Lockdowns in England während der Corona-Pandemie.
Mit „Radio Songs“ huldigt Dave Rowntree einer lebenslangen Leidenschaft. Das Radio übt auf den Blur-Schlagzeuger seit Kindheitstagen eine große Faszination aus. „Andere Väter gehen mit ihren Söhnen zu Fußballspielen oder zum Angeln, mein Vater hat mit mir am Küchentisch Radios gebaut“, erzählt der Brite via Zoom.
Mit dem Radio aufgewachsen
Das Album soll das Gefühl vermitteln, das man als Hörer hat, wenn man an einem alten Radioempfänger dreht. „Als Kind hatte ich ein Radio neben meinem Bett, und besonders über Langwelle kann man buchstäblich Sender aus der ganzen Welt empfangen.“ Er gerät ins Schwärmen. „Für mich, einen kleinen Buben, der im Süden von England aufgewachsen ist, klang das einfach unglaublich exotisch. Und ich habe davon geträumt, wie das Leben an diesen anderen Orten, mit den seltsam klingenden Sprachen und der irgendwie ungewöhnlichen Musik sein muss.“
Die merkwürdigen Geräusche, die man im Langwellenrundfunk hören konnte und noch kann, gibt es dazu. Rowntree hat sie für das Album aufgespürt. „Ich habe viel Zeit damit verbracht, Geräusche zwischen den Sendern aufzunehmen. Da findet man heutzutage häufig die besten Klänge.“ Diese benutzte der Soundtüftler als Grundlage für seine Songs, etwa als Klangbett oder für bestimmte Texturen.
Hits sind nicht nötig
Ironischerweise enthält das Album kaum typische Radiosongs. „Für Taylor Swift ist es wichtig, dass sie auf BBC Radio One gespielt wird, für mich nicht so“, sagt Rowntree. Die eingängige Single „London Bridge“ mit treibendem Rhythmus, markanten Synthesizern und leichtem New-Wave-Einschlag passt noch am ehesten ins Radio. Hingegen sind andere Songs eher langsam, mal beklemmend („Devil‘s Island“), mal melancholisch („1000 Miles“), aber immer atmosphärisch dicht. In „HK“ kommt der Filmkomponist besonders durch.
Es ist kein politisches Album, aber wer genau hinhört, erkennt auch politische Untertöne Rowntrees, der seit Jahrzehnten der Labour Party angehört, mehrfach erfolglos für das Unterhaus kandidierte, aber dafür andere Ämter übernahm. „There‘s nothing to see here, there‘s no need to be here“, singt der 58-Jährige - eine Anspielung auf das Brexit-Votum und die Überraschung über den Ausgang.
Gutes Gefühl
Über seine neue Rolle als Leadsänger sagt Rowntree, es habe sich „erstaunlich natürlich angefühlt“. Seine Stimme ist nicht gerade charismatisch, passt aber mit ihrer leichten Monotonie gut zu seiner atmosphärischen Musik. „Radio Songs“ ist ein Album, auf das man sich einlassen muss, mitunter etwas sperrig, aber gleichzeitig hochinteressant.
Langfristig will Dave Rowntree mit seinen eigenen Liedern auch auf Tournee gehen. Doch zuvor stehen mit den Kollegen von Blur zwei der größten Auftritte in der Karriere der Band an. Am 8. und 9. Juli spielen die Britpop-Veteranen bei einer Sommer-Tournee als Headliner im riesigen Londoner Wembley-Stadion. Das erste Konzert ist sogar schon ausverkauft, die Vorfreude bei allen Beteiligten groß.
Neue Blur-Songs möglich
„Wir haben da noch nie gespielt, aber es ist einer dieser ikonischen Orte“, betont der Schlagzeuger. „Als wir gefragt wurden, ob wir das machen wollen, haben wir sofort zugesagt.“ Sogar neue Musik mit Blur stellt er in Aussicht, vielleicht sogar schon im Sommer. „Darüber müssen wir jetzt sprechen. Wir haben sechs Monate, bis die Tournee beginnt. Wir haben alle eine Menge um die Ohren. Wir müssen uns also wahrscheinlich noch in dieser Woche darüber unterhalten.“
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.