Live im Volx Wien

Little Annie: New Yorker Rebellin aus Leidenschaft

Kultur
21.01.2023 07:00

Im Punk- und Dub-Underground ist Annie Bandez aka Little Annie eine lebende Legende. Derzeit ist sie mit ihrer Performance „52 Jokers“ im Volx/Margareten des Volkstheater Wien zu Gast. Wir sprachen mit ihrer über die Performance, ihr außergewöhnlich unkonventionelles Leben und weshalb sie eigentlich immer nur Popmusik machen wollte.

Das Kartenspiel als Metapher für das Leben und seine vielen Irrungen und Wirrungen. Die Performance „52 Jokers“ erzählt noch bis 26. Jänner im Volx des Wiener Volkstheaters in bildgewaltig-theatralischer Sprache vom unkonventionellen und einzigartigen Leben der Annie Bandez aka Little Annie aka Annie Anxiety. Seit ihrem 16. Lebensjahr balanciert die gebürtige New Yorkerin auf der Avantgarde-Klippe ihres Lebens und wurde ohne große Pläne zu einer gefeierten Undergroundgröße in der Musik, der Malerei und auch der Schriftstellerei. Sie schockierte Frank Zappa als 16-Jährige im New Yorker CBGB’s, kreierte mit dem britischen Dub-Produzenten Adrian Sherwood eine erfolgreiche Postpunk- und Dub-Persona, reüssierte ab den 90er-Jahren in der Malerei, wurde stimmlich mit Marianne Faithfull und Grace Jones verglichen und macht auch als Schriftstellerin eine gute Figur.

Kartenspiel des Lebens
„52 Jokers“ ist folgerichtig das nächste Projekt dieser umtriebigen und bienenfleißigen Künstlerin, wie sie der „Krone“ am Premierentag im Interview erklärte. „Schon vor Jahren wollte ich ein Musical machen, dann kam die Pandemie dazwischen. Ich liebe etwa Bob Fosse und sein Werk ,Chicago‘. Ich habe einmal eine Aufführung am Broadway gesehen und vor Begeisterung geweint. Das passiert mir normal nie, aber ich konnte mich nicht mehr halten.“ Unterstützt wird sie auf „52 Jokers“ von Paul Wallfisch, seines Zeichens musikalischer Kurator am Wiener Volkstheater und seit gut zwei Dekaden künstlerisch eng mit Annie verbunden. „Wir beide haben das Stück aufgesetzt und der Titel spielt auf das Pokern an. Es steht metaphorisch für das Leben. Wenn du spielst, dann gewinnst du und verlierst du. Du hast Glück oder Pech. Je nachdem, wie die Karten für dich stehen. Beim Kartenspiel lernt man viel über das Leben.“

Aus diesem von Liebe, Verlust und Kunst geprägten, unkonventionellen Leben wurde nun eine kollaborative Multimedia-Theater-Performance von und mit Little Annie, der stilprägenden No-Wave-Filmregisseurin Beth B, der Sideshow- und Florentina Holzinger-Performerin Evilyn Frantic, der Multi-Instrumentalistin Pamelia Stickney und Paul Wallfisch. „Die erzählten Geschichten streifen mein Leben, drehen sich aber nicht ausschließlich darum“, führt Annie weiter aus, „es sind auch keine Tragödien, sondern Segnungen. Das Leben gibt dir Erfahrungen, durch die du gehen musst. Ich habe bei dieser Arbeit irrsinnig viel gelernt und bin ungemein dankbar dafür.“

Lebensrettung Großbritannien
Bandez‘ Vita ist einzigartig und genauso schroff und bärbeißig wie ihre Heimat New York in den späten 70er-Jahren. Mit 14 schmiss sie die Schule, um zwei Jahre später mit einer Band namens Annie And The Asexuals für Furore zu sorgen. Frank Zappa sieht einen Gig und ist ob der authentisch-modischen Wirkung ganz außer sich. Anfang der 80er-Jahre lädt sie Ignorant Steve, der Sänger der britischen Punk-Band Crass, nach England ein, wo sie dann fast eineinhalb Dekaden bleiben und ihre Karriere mehrmals verändern sollte. „Wir lebten in einer Art Kommune, die damals wohl mein Leben rettete. In New York verstarben viele meiner Freunde an Aids. Die Stadt war aufregend, aber auch sehr rau.“ Bandez begann Bücher zu lesen, Gedichte zu schreiben und kam mit Dub-Pionier Adrian Sherwood in Kontakt. Er produziert ihre erfolgreichen Postpunk-Alben als Annie Anxiety und lässt sie in seinem Gartenhaus wohnen.

„Ich bin zeit meines Lebens voll in die Welt eingetaucht und habe einfach angenommen, was sich mir eröffnete. Ich weiß, dass ich viel Glück hatte und schon gut 15 Mal tot sein könnte. Ich bin sehr dankbar für mein Leben.“ Mit ihrer Alt-Stimme vergleicht man Bandez mit Marianne Faithfull oder Amy Winehouse, mit Marc Almond, Anohni oder den Swans gelingen ihr wundersame musikalische Grätschen, die allesamt im hohen Qualitätssegment anzusiedeln sind. Nebenbei entdeckt sie, in den 90ern wieder zurück nach New York gekommen, die Malerei für sich. Von Niederschlägen, wie den Rauswurf bei ihrem finanziell strauchelndem Label Atco, erholt sie sich schnell. „Mein Vater hat mir damals ein Glas Whiskey hingestellt und gesagt, ich solle das schnellstmöglich vergessen, wieder aufstehen und die nächste sich bietende Möglichkeit in die Hand nehmen.“

Immer alles geben
Bandez steht seit jeher für künstlerische Offenheit. Sei es in verschiedenen musikalischen Genres oder in übergeordneten Kunstgattungen. Die ständige Neugierde und der Drang zum Sprung ins kalte Wasser eröffnen ihr auch in den schlimmsten Tagen neue Türen. „Ich habe früh viele Lektionen gelernt. Dass man härter und schneller arbeiten muss als die anderen, weil sie sofort hinter dir lauern. Oder dass man mit unweigerlich vorkommenden Misserfolgen genauso leben muss, wie mit Erfolgen. Ansonsten verfällt man in die Verbitterung. Ob du abends vor sechs oder 6000 Menschen auftrittst, ist völlig egal. Jeder einzelne hat es verdient, dass du absolut alles gibst.“ Die heute mit ihrem Hund Sparky im sonnigen Miami lebende Künstlerin hat für die Zukunft etwas über Frank Sinatra im Kopf und räumt mit Irrmeinungen auf. „Ich wollte nie die große Punkrockerin werden, habe die Musik auch nie wirklich gehört. In meinem Kopf machte ich immer Popmusik und über die Jahre wurden manche Songs auch wirklich populär.“

Auftritte im Volx des Volkstheater
Die großartige Little Annie kann man mit einem hervorragenden Ensemble auf und abseits der Bühne bei der Performance „52 Jokers“ noch am 22., 25. und 26. Jänner im Volx des Volkstheater Wien, in der Margaretenstraße, live erleben. Unter www.volkstheater.at finden Sie alle genauen Termine, die weiteren Infos und können auch Karten für das Event erwerben.

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