Neue Frisur, neue Musik, gestärkte Persönlichkeit - auf ihrem zweiten Album „Diamonds & Dancefloors“ singt sich die albanisch-stämmige Pop-Prinzessin Ava Max durch eine gescheiterte Beziehung und nützt dicke Beats, Tanzflächen-Hymnen und das Nachtleben als solches zur neuen Selbstermächtigung. Manchmal muss es einfach Partypop sein.
Ende März 2019 wagte Pop-Starlet Ava Max einen wagemutigen Ausblick in ihre Zukunft - sie versprach in einem Interview, dass ihr prägnanter „Max Cut“, der wasserstoffblonde Stufenschnitt, der auf einer Seite wesentlich kürzer fällt als auf der anderen, mindestens drei Alben lang halten würde. Wie so oft gibt es zwischen Versprechungen und deren Einhaltung durchaus mal massivere Divergenzen. Von ihrem Signature-Schnitt trennte sich Max schlussendlich vor einem Jahr, um gleichzeitig eine neue musikalische Ära einzuläuten. Bei der allumfassenden Omnipräsenz von Max’ Songs in den Formatradios und Streaming-Playlists stellt sich so manchen zu Recht die Frage, warum „Diamonds & Dancefloors“ gar erst das zweite Studioalbum der gebürtigen Albanerin ist.
Vergleiche zulässig
Mit der ohrwurmträchtigen Single „Sweet But Psycho“ gelang ihr 2018 ein später Sommerhit und der Sprung mitten ins Pop-Rampenlicht. Die bereits Jahre zuvor tätige Künstlerin wurde über Nacht zum Superstar und musste sich gleich einmal von den üblichen Vergleichszwängen der Medien freikämpfen. Sie sähe aus wie Lady Gaga und die junge Madonna, würde auch genau nach den beiden klingen und mit einer kräftigen Dosis Gwen Stefani eine gewisse Rock-Kantigkeit vermitteln wollen. Während Ava die Vergleiche in Interviews wiederholt „als langweilig und nicht zutreffend“ abtat, sagten Songs und Bühnenperformance etwas anderes. Wer sich von den ganz Großen inspirieren lässt, kann sich eben auch nicht ganz von ihnen emanzipieren. Dieses Bewusstsein gibt man in jungen Sturm-und-Drang-Jahren natürlich ungern zu.
„Diamonds & Dancefloors“ bezeichnete Max im Vorfeld vollmundig als ihr bislang persönlichstes Werk. Es ist ja auch schon das Zweite. Auf den ersten Promofotos posierte sie mit feuerrot gefärbten, mittlerweile ident langen Haaren und schnell sickerte durch, dass sie im Pandemiejahr 2021 am Werk schraubte und dabei eine in die Brüche gegangene Beziehung verarbeitete. Die 14, in knapp 40 Minuten über die Ziellinie laufenden Songs, verfolgen ein interessantes Konzept. Textlich geht es um das schwere Waten durch das Tal der Trauer, um das Wiederfinden des eigenen Selbstbewusstseins und eine gestärkte Position für zukünftige Lebenspartner, musikalisch stampft Ava mit 80er-geladenen Synthiepop und Disco-Referenzen durch die Gestade, als gäbe es kein Morgen mehr.
Es fehlt an Abwechslung
Den „Heartbreak On The Dancefloor“, wie sie das Gesamtwerk subsumierte, genießt man am besten in guter Stimmung, oder wenn man dazu bereit ist, den Kampf gegen die inneren Dämonen aufzunehmen. Die Transformation vom Pop-Girl zum „Million Dollar Baby“ mit Referenzen an den erfolgreichen Hillary-Swank-Film leitet mit einem unwiderstehlichen Pop-Beat in das Album, das im Zweiminutentakt mit flotten Krachern aufwartet, aber es leider an der nötigen Abwechslung vermissen lässt. Nur selten bremst sich Max auf der Tanzfläche, um auch einmal durchzuatmen und innezuhalten. Eine Ballade im herkömmlichen Sinne ist überhaupt nicht zu finden, wenn sie ihre Gefühle auch einmal emotionaler aus dem Herzen strecken möchte, dann passiert das nur in selten eingestreuten Teilen, bevor der nächste Refrain erbarmungslos geradeaus schlägt.
Die bekannte Single „Maybe You’re The Problem“ adressiert den Verflossenen, sich endlich einmal selbst zu reflektieren. „Hold Up, Wait A Minute“ bittet um etwas Geduld, um sich zu sammeln und „Cold As Ice“ ist der irreversible Zustand, den man unweigerlich nach den größten Emotionsausbrüchen bei Beziehungsstreits erreicht. Dazwischen gibt es inhaltliche Querverstrebungen, die einen fragend zurücklassen. So kritisiert Max den angesprochenen Protagonisten in „In The Dark“ dafür, dass er sich nur nachts um sie kümmern würde, fordert aber gleich darauf „Turn Off The Lights“ ein. Wer sich nicht an derartigen Narrativproblemen stört, wird mit einer ballernden Hitlastigkeit belohnt, die ihresgleichen sucht. Sämtliche Songs sind üppig produziert und werden von Max‘ herausragender Stimme getragen, doch vor lauter Lust am fröhlich klingenden Lärm vergaßen die 28-Jährige und ihr Team ganz darauf, für einen Spannungsbogen zu sorgen.
Von den Großen geborgt
Die Qualität der einzelnen Songs ist zumeist herausragend. Bei der durchaus dichten Konkurrenz am internationalen Pop-Sektor muss sich Max mit „Diamonds & Dancefloors“ nicht verstecken, denn mit „Million Dollar Baby“, „Ghost“, „Turn Off The Lights“ und „One Of Us“ befinden sich vier absolute Volltreffer auf dem Werk. Doch auch das übrige Material weiß mit markanten Pop-Hooks, lockeren Lebensbetrachtungen und zackigen Beats genau jede Dosis von guter Laune zu vermitteln, die uns in der harschen Realität oft nicht vergönnt ist. Dass man die ein oder andere Hook schon mal bei LeAnn Rimes („Million Dollar Baby“), The Weeknd („Dancing’s Done“), Eiffel 65 („Diamonds & Dancefloors“) oder Daft Punk („Turn Off The Lights“) gehört hat, wird mehr oder weniger offen aufgeschlüsselt und tut dem Gesamtwerk nicht weh. Ava Max wagt (noch) nicht den Weg in artifizielle Gefilde, sondern bleibt als Pop-Schusterin stringent bei ihren Hit-Leisten. Nach dem Beziehungskater braucht man auch mal Party.
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