Novak Djokovic hat am Mittwoch auf souveräne Art und Weise zum zehnten Mal das Halbfinale der Australian Open erreicht. Der 35-jährige Serbe ließ Thiem-Bezwinger Andrej Rublew aus Russland beim 6:1,6:2,6:4 in nur 2:03 Stunden keine Chance und ist weiter auf Kurs Major-Titel 22 und Melbourne-Triumph zehn.
Im Semifinale am Freitag ist er auch im ersten Duell mit dem US-Amerikaner Tommy Paul klarer Favorit. Letzterer bezwang seinen Landsmann Ben Shelton 7:6(6),6:3,5:7,6:4.
„Kann nicht glücklicher sein“
Djokovic fehlen also nur noch zwei Siege zum neuerlichen Triumph am Yarra River. „Ich kann mit meinem Tennis momentan nicht glücklicher sein“, meinte der „Djoker“ noch auf dem Platz. „Das Ergebnis sah in den ersten beiden Sätzen klarer aus als es war. Ich habe in den wichtigsten Momenten mein bestes Tennis gespielt.“
Ein bisschen Schwierigkeiten bereitete dem Serben der Wind. „Als ich aufgewärmt habe, war es nicht so windig. Da muss man seine Schläge schon gut wählen.“
Mehr Kontakt mit Maschinen
Djokovic scheint in dieser Form und trotz der vorangegangenen Schwierigkeiten am linken Oberschenkel bereit, mit Rafael Nadal im Rennen um die meisten Major-Titel gleichzuziehen. Holt Djokovic den 22. Triumph, dann ist er auch wieder die Nummer 1 der Welt. Der Weg dahin war im Vorfeld und auch während der Australian Open nicht einfach für ihn. „Ich war mehr mit Maschinen verbunden, um mich zu pflegen als mit Dingen oder Menschen. Ich habe alles probiert“, gestand Djokovic. „Ich vermisse Tennis an den freien Tagen, aber man muss smart sein, um sich rechtzeitig fit zu machen.“
Er wird Tommy Paul im Halbfinale nicht unterschätzen, aber er hat auch die bisherigen neun Semis in Melbourne allesamt gewonnen und danach auch den Titel geholt. „Er hat nicht viel zu verlieren. Ich muss es genauso angehen wie jedes Match davor.“
Launig dankte er auf dem Platz seinem Physio für seine schon Jahre lange Arbeit und auch seiner diesmal wieder anwesenden Mutter, der er noch auf dem Platz mit dem Publikum ein „Happy birthday“ sang.
„Tennis vermisst ihn“
Als sich Djokovic an sein erstes Major-Halbfinale 2007 (US Open) zurückerinnerte und dann die Final-Niederlage gegen Roger Federer erwähnte, brandete Jubel für den zurückgetretenen Schweizer auf. Djokovic forderte das Publikum auf, Federer zu applaudieren. „Tennis vermisst ihn.“ Sowohl die Postings von Federer bei der Fashion Week als auch auf Skiern hat auch der Serbe gesehen. „Vielleicht können wir einmal gemeinsam Skifahren gehen.“
Bei den Frauen komplettierten die als Nummer fünf gesetzte Aryna Sabalenka und völlig überraschend Magda Linette das Semifinale. Linette springt weiter für ihre unerwartet im Achtelfinale ausgeschiedene polnische Landsfrau und Topfavoritin Iga Swiatek in die Bresche. Sie besiegte die fehlerhafte Tschechin Karolina Pliskova 6:3,7:5. Danach ließ die Weißrussin Sabalenka der Kroatin Donna Vekic beim 6:3,6:2 keine Chance.
Linette überrascht
Für die 30-jährige Linette kommt der Erfolg wie aus dem Nichts. Bei ihrem schon 30. Grand-Slam-Turnier steht sie nun erstmals in der Vorschlussrunde, davor war sie nie über die dritte Runde eines Majors hinausgekommen. „Vielleicht kann ich es wirklich noch gar nicht glauben“, sagte sie bei der Pressekonferenz. Andererseits war der Sieg über Pliskova schon der vierte über eine Gesetzte in Folge: Sie hatte vor Pliskova auch Anett Kontaveit (Nr. 16), Jekaterina Alexandrowa (19) und Caroline Garcia (4) ausgeschaltet. Linette ist erst die dritte Polin in der Profitennis-Ära nach Agnieszka Radwanska und Swiatek im Halbfinale der Australian Open.
„Ich bin einfach nur glücklich“, sagte Linette. „Das werde ich niemals vergessen. Das bleibt ein Leben lang.“ Im Kampf um das Finalticket trifft Linette am Donnerstag auf Sabalenka. Letztere hielt sich beim 6:3,6:2 über Vekic nicht lange auf. Die 24-Jährige, die nicht nur aufgrund ihrer Setzung als Nummer 5 nun die Topfavoritin auf den Titel ist, steht zum insgesamt vierten Mal in einem Grand-Slam-Halbfinale. Ihre Bilanz 2023 ist makellos: Neun Spiele, neun Siege und kein Satzverlust.
„Ich bin super-glücklich mit dem Sieg, die Atmosphäre war unglaublich“, sagte Sabalenka, die zum Aufwärmen schon in Adelaide triumphiert hatte. Zudem war Vekic so etwas wie eine Angst-Gegnerin: sie verkürzte gegen die Kroatin nun auf 2:5 im Head-to-Head.
Für das zweite Halbfinale hatten sich schon am Dienstag Victoria Asarenka (BLR-30) und Wimbledonsiegerin Elena Rybakina (KAZ-22) qualifiziert. Siegen Sabalenka und Asarenka, dann kommt es am Samstag sogar zu einem Endspiel zweier Protagonistinnen aus Belarus. Sabalenka hat gegen Linette beide bisherigen Begegnungen gewonnen, Asarenka hat hingegen das bisher einzige Duell mit Rybakina im Vorjahr in Indian Wells 3:6,4:6 verloren.
Sieg gegen Shelton
Vor der Night Session hatte sich Tommy Paul im ersten rein US-amerikanischen Viertelfinale bei einem Major seit 2007 für das Duell mit Djokovic qualifiziert. Er besiegte den erst 20-jährigen Ben Shelton nach 3:06 Stunden in vier Sätzen. Für den 25-jährigen Paul bedeutet dies das erste Grand-Slam-Semifinale seiner Karriere und den erstmaligen Sprung in die Top 20.
Paul ist der erstes US-Profi im Melbourne-Halbfinale seit seinem Kindheitsidol Andy Roddick im Jahr 2009. Auch für Shelton wird Australien 2023 unvergesslich bleiben: Nach drei Challenger-Siegen en suite gerade noch für sein erstes Major qualifiziert, musste er sich erst einen Pass ausstellen lassen für seine erste Auslandsreise überhaupt und bilanziert nun gleich mit dem Viertelfinale.
„Jeder träumt davon, wenn er mit dem Tennis beginnt, das zweite Wochenende bei einem Major zu erreichen“, sagte Paul, der aber auch an Shelton und seine anderen US-Kollegen dachte. „Ich freue mich für alle Burschen. (Frances) Tiafoe war bei den US Open im Halbfinale, jetzt ich hier.“ Zudem war Paul happy, dass er seiner eben erst eingeflogenen Mutter und seiner Freundin Paige, Influencerin und Geburtstagskind, einen Sieg schenken konnte.
Im Halbfinale am Freitag könnte dieser Erfolgslauf aber enden: Denn gegen Djokovic ist er krasser Außenseiter.
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