Mehrere renommierte Experten haben das Regierungspaket gegen Kindesmissbrauch scharf kritisiert. Höhere Strafen für Täter würden nicht nachweislich wirken, warnt Kriminologin Katharina Beclin. Doch Karl Nehammer (ÖVP) lässt die Kritik kalt: „Harte Strafen werden kommen“, betont der Bundeskanzler gegenüber krone.at.
„Wenn ich jemanden länger in Haft einsperre und dabei nicht entsprechend für Therapiemöglichkeiten sorge, wird die Resozialisierung schwieriger“, unterstreicht Beclion ihre Kritik.
„Populismus“
In dieselbe Kerbe schlägt Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl, Leiter des Vienna Centre for Societal Security. Er spricht höheren Strafen jede präventive Wirkung ab und bezeichnet die Vorgehensweise der Regierung als „Populismus“. Kreissl: „Es gibt keine Korrelation zwischen Strafhöhe und Abschreckung“, macht Kreissl unter Berufung auf zahlreiche Untersuchungen klar. Abschreckend für potenzielle Täter sei lediglich ein hohes Risiko, erwischt zu werden. Wichtig sei auch, dass die Strafe rasch auf die Tat folgt. Hier gebe es einen Wirkungszusammenhang.
Die angekündigten höheren Strafen sind eine einfache, billige Methode der Regierung zu zeigen, „wir tun etwas“.
Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl
„Es braucht sozialpädagogische Angebote“
Unterstützung erhält er von Christoph Koss vom Verein Neustart: „Diese Kinder und Jugendlichen handeln aus ganz anderen Motiven als pädophile Sexualstraftäter. Diesen Teil des Problems wird das Strafrecht nicht lösen können.“ Und fügt hinzu: „Für Täter, die selbst noch Kinder oder Jugendliche sind, braucht es sozialpädagogische Angebote.“
Ebenfalls wichtig sei es, dass zusätzliche Präventionsangebote ausgebaut werden, an die sich Personen wenden können, die zwar noch nicht straffällig geworden sind, aber bemerken, dass sie sich zu Kindern hingezogen fühlen. „Wenn diese Menschen flächendeckend anonym und kostenlos Zugang zu Therapie bekommen, werden Kinder geschützt, indem diese Personen nie zu Tätern werden", meint Koss.
Für Täter, die selbst noch Kinder oder Jugendliche sind, braucht es sozialpädagogische Angebote.
Christoph Koss vom Verein Neustart
Bernd-Christian Funk ist der Auffassung, man müsse mit Augenmaß vorgehen, da die Gefahr bestünde, dass bei Beschuldigungen, die keine Substanz haben, Schäden entstehen, die nicht mehr wieder gut gemacht werden können. „Auf der anderen Seite ist schon klar, dass alle Möglichkeiten der Prävention genützt werden sollen.“
„Gesetzgeberischer Schnellschuss“
WU-Professor Harald Eberhard geht es um eine Abwägung zwischen Kinderrechten und jenen des Beschuldigten auf Privat- und Familienleben. Sollte das Vorhaben umgesetzt werden, müsse es eine Ausnahme von der Amtsverschwiegenheit geben. Zudem sollte die Verständigungspflicht schon für die Kriminalpolizei gelten, sofern ein begründeter Verdacht vorliegt. Ansonsten könne in langen Verfahren zu Amtshaftungsansprüchen kommen, wenn nicht entsprechend gehandelt wurde. Rechtsexperte Alois Birklbauer bezeichnet viele Punkte im Gesetz als „gesetzgeberischen Schnellschuss“. Es gebe Bezeichnungen, die das Strafgesetzbuch bisher nicht kenne.
Kanzler Karl Nehammer verteidigt hingegen das Maßnahmenpaket der Regierung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen. „Ich lehne es ab, dass der Sinn in Strafen ständig nur in ihrer präventiven Wirkung gesehen wird“, kontert der Kanzler dem Kritikpunkt, dass sich Täter bei Kindesmissbrauch nicht von höheren Strafen abschrecken ließen.
„Ich bin überzeugt, dass wir mit diesem Paket einerseits im Opferschutz und der Prävention wichtige Maßnahmen beschlossen haben. Aber vor allem, dass wir bei der gerechten Bestrafung einen großen Schritt setzen“, resümiert Nehammer. Zum Vorhalt, höhere Strafen seien „einfach und billig“ und „Populismus“, sagt der Kanzler, dass Strafen nicht nur Prävention seien, sondern „auch Sanktion für die Tat, um den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Strafen sind letztlich der Ausdruck, mit dem unsere Gesellschaft sagt, was sie toleriert und was nicht.“
Strafen sind nicht nur Prävention, sondern auch Sanktion für die Tat, um den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Strafen sind letztlich der Ausdruck, mit dem unsere Gesellschaft sagt, was sie toleriert und was nicht.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP)
„Diese Schicksale sind echt“
Auf das Argument, dass der mögliche Strafrahmen beim Paragrafen 207a StGB (Darstellung von Kindesmissbrauch) von bis zu zehn Jahren zu hoch sei, weil er damit gleich hoch sei wie bei Misshandlung und Vergewaltigung, sagt Nehammer: „Es geht hier um die Herstellung und Verbreitung. Also nicht nur um den Besitz. Der Übergriff ist ja real. Diese Schicksale sind echt“. Weitere Anmerkungen würden zudem sehr wohl noch in der Gesetzwerdung geprüft.
Dass man bis jetzt für die Darstellung von Kindesmissbrauch weniger bestraft wurde als für einen schweren Diebstahl kann keiner verstehen.
Karl Nehammer
„Dass man bis jetzt für die Darstellung von Kindesmissbrauch weniger bestraft wurde als für einen schweren Diebstahl, kann keiner verstehen“, sagte Nehammer weiter. Bezüglich des Falls Teichtmeister unterstrich der Kanzler die künftige Meldepflicht hervor: „Wenn es um Kinder geht, muss der Arbeitgeber informiert werden. Hier sind beim Fall Teichtmeister gröbste Fehler passiert, die niemand verstehen kann.“
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